Großmaul mit Mission

Russell Brand: Revolution - Vorsicht! Dieses Buch wurde von "einer totalen Knalltüte" verfasst, wie der Autor selbst klarstellt. Der britische Schauspieler und Comedian Russel Brand ruft dennoch ernsthaft zu einer Revolution auf und greift Wirtschaftsbosse und Politiker an. Denn: "Wir alle wissen, dass man diesen Arschgeigen nicht trauen kann." Es ist ein skurriler Mix aus Anekdoten, Sprüchen und Fakten, den der geläuterte Ex-Junkie auf 480 Seiten präsentiert.

Um seine These vom ungerechten, ausbeuterischen Kapitalismus zu stützen, umgibt sich Brand mit renommierten Globalisierungskritikern. Er spricht mit Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty, zitiert die Globalisierungskritikerin Naomi Klein, interviewt Occupy-Aktivist Dave DeGraw. Die Meinungen dieser "brillanten Denker", wie Brand schreibt, sorgen für die intellektuelle Würze des Buches. Die ist auch nötig, denn der 39-jährige Autor steht eher auf drastische Formulierungen: "Der ganze Kyoto-Kram - die Reduktion der Kohlenstoffemissionen um x Prozent bis zum Jahr y - ist nichts weiter als gequirlte Scheiße."

Großmäulig und witzig ist Selbstdarsteller Brand, aber auch selbstkritisch. Er erzählt von seiner wilden Zeit und gesteht: "Ich habe ganze Heerscharen schimmernder Götzen angebetet. Pornos, Drogen, Alkohol, Ruhm, Sex." Das will er seinen Lesern mit seiner "Anleitung für eine neue Weltordnung" ersparen. Laut Brand erzeugen Neoliberalismus und "Konsumfetischismus" Leere, Traurigkeit und Unzugehörigkeit. Außer bei den Privilegierten, denen es immer besser gehe: "Die reichsten fünfundachtzig Menschen der Welt verfügen über den gleichen Besitz wie dreieinhalb Milliarden Menschen - die Hälfte unserer Spezies."

Was also tun? Brand, dessen Konterfei auf dem Cover an Che Guevara erinnert, strebt eine führerlose, anarchistische Gemeinschaft an. Basierend "auf Verbundenheit, Verständigung, Miteinander und Liebe." Wenn der Gandhi-Verehrer davon schwärmt, man müsse "die Grenzen des instinktgeleiteten, physischen Selbst überwinden", und transzendentale Meditation propagiert, gerät seine Kampfansage in eine esoterische Schieflage. Sehr unterhaltsam ist die unkonventionelle Gebrauchsanweisung für einen Umsturz dennoch. Und sie könnte tatsächlich etwas bewirken: Weil sie auch Leser erreicht, die noch nie ein Buch von Noam Chomsky, Jean Ziegler oder Stéphane Hessel (Empört euch!) gelesen haben. Günter Keil

HEYNE VERLAG, ÜBERSETZT VON KRISTOF HAHN UND ANKE KREUTZER, 480 SEITEN, 22,99 €


Willems/Appeldoorn/Goyens: Als Paar getrennt - als Eltern zusammen - Dieses ermutigende Buch empfiehlt Eltern in Trennung, "möglichst schnell das Kriegsbeil zu begraben. Es kann hierbei hilfreich sein, sich vor Augen zu führen, dass ein Krieg keine Sieger, sondern nur Verlierer kennt." Deshalb widmet sich das Autorenteam dem, was jetzt im Vordergrund stehen muss: das Wohl der Kinder. Wie kann eine gemeinsame Erziehung trotzdem gelingen, wie können die Eltern den dafür nötigen Teamgeist entfachen, auch wenn die eigenen Paar-Probleme noch nicht gelöst sind? Die Autoren stellen verschiedene Modelle vor und erläutern anhand von Fallbeispielen die Vor- und Nachteile. Dem Buch kommt zugute, dass die Autoren sowohl beruflich als auch privat mit dem Thema vertraut sind, als Familienanwälte, Beziehungsberaterin oder Mediatorin - und als getrennt erziehende Eltern. Angesichts der vielen zerbrechenden Familien plädieren sie für die Idee eines Erziehungsversprechens: "Eltern versprechen bei der Geburt ihres Kindes, sich immer für seine Erziehung verantwortlich zu zeigen und für das Kind da zu sein." Bettina Klix

PATMOS VERLAG, AUS DEM NIEDERLÄNDISCHEN: BÄRBEL JÄNICKE, 240 S., 18,99 €


Jasmin Warga: Mein Herz und andere schwarze Löcher - Zwei tieftraurige, dabei authentisch wirkende, amerikanische Teenager lernen sich über eine Selbstmord-Website kennen und beschließen, ihrem Leben ein gemeinsames Ende zu setzen. Beide scheinen zunächst vollkommen gegensätzlich: Er der beliebte, gutaussehende Basketballspieler, sie das ausgegrenzte Mädchen mit türkischen Wurzeln, das sich im Callcenter Geld dazuverdient. Der Zeitrahmen ist eng, nur 26 Tage haben die beiden, um ihren Suizid zu planen. Doch je besser sich die beiden kennenlernen, umso deutlicher wird ihnen, dass ihre Situation doch nicht so ausweglos ist, wie sie dachten, und dass die Liebe zueinander alles in einem neuen Licht erscheinen lässt. Anstatt gemeinsam zu sterben, wollen sie sich nun gegenseitig retten. Dieser Wandel hin zu neuer Lebenskraft wird so einfühlsam und fesselnd geschildert, dass man den Roman kaum aus der Hand legen mag. Jasmin Warga schreibt mit ihrem Roman gegen das Stigma an, mit dem die Themen Depression und Suizid nach wie vor behaftet sind. Und das gelingt ihr mit dieser stärkenden, bittersüßen Liebesgeschichte, die sich bereits zum Sommerhit zu etablieren scheint. Feline Mansch

S. FISCHER VERLAGE/SAUERLÄNDER, AUS DEM AMERIKANISCHEN VON ADELHEID ZÖFEL, 380 S., 16,99 €