Ausgabe 04/2015
Ich arbeite immer weiter
"Ich arbeite immer weiter"
Die Steinmetzmeisterin
Der Robotordoktor
Nordrhein-Westfalen - Sie haben sich selbst bei ihrer Arbeit gefilmt oder Kolleg/innen und Freunde darum gebeten: Hunderte Menschen in Nordrhein-Westfalen - Männer und Frauen, Alte und Junge, Glückliche und Unglückliche, Gelangweilte und Inspirierte - haben sich im Sommer vorigen Jahres mit ihren Digitalkameras und Smartphones bei "Deine Arbeit, Dein Leben!", dem "Mitmachprojekt" des Westdeutschen Rundfunks (WDR) beteiligt (ver.di publik 06_2014). Die Filmemacherin Luzia Schmid komponierte aus den Einsendungen einen einstündigen Film, der dieses Jahr am "Tag der Arbeit" im WDR-Fernsehen gesendet wurde.
Elefantenpflegerinnen begegnet man im Alltag nicht häufig. Und das macht Vanessa Hagedorn im Wuppertaler Zoo zu einem der Lieblinge des Publikums, wie man den Zuschauer-Reaktionen in den Social Networks entnehmen kann. Sie selber empfindet ihre Anstellung wie einen "Sechser im Lotto". Die Möbelpacker, die ihrem alles andere als exotischen Beruf nachgehen, sammeln aber ebenfalls viele Sympathien bei einer Arbeit, die sie "als notwendiges Übel" betrachten und bei der sie sich als "Möbelversetzungstechniker" gern selber auf die Schippe nehmen.
Die Mischung aus seltenen Berufen, die Berufung sind - Geigenbauer, Kunstmaler, Steinmetzmeisterin, Hypnotiseur, Kostümbildnerin oder Comedian - und "normalen" Jobs im Büro, im Seniorenheim, in der Imbissbude, als Waldarbeiter oder Stahlkocher bildet in "Deine Arbeit/Dein Leben" ein unterhaltsames und interessantes Kaleidoskop. Christiane Hinz, zuständige Redakteurin beim WDR-Fernsehen sagt: "Die Regisseurin hat mit dem Cutter tatsächlich knapp vier Monate im Schnitt verbracht. Die Kunst war, auch aus vielen kurzen Einsendungen den Film mit einem erzählerischen Bogen zu montieren. 62 Leute haben es in den Film geschafft, insgesamt waren es nahezu 50 Stunden eingesandtes Material."
Der Film berührt mit seiner fein ausgewogenen Mischung aus lustigen Kommentaren vieler Protagonisten, aus Menschen in ihren "absoluten Traumberufen", aus frustrierten, überarbeiteten und müden, aber auch von ihrer Arbeit befriedigten Männern und Frauen. Viele Menschen begegnen uns im Film immer wieder im Laufe ihres Arbeitstages, das wirkt authentisch, man ist nah dran, versteht viel, ohne den Leuten auf die Pelle zu rücken. Der "Roboterdoktor" bei Ford will seine Botschaft vermitteln: "Der Roboter ist spitze - aber nur mit mir"; der Bestatter hat "den schönsten Beruf, den ich mir vorstellen kann", und die Nonne am PC im Altenheim findet, ihr "Gebet ist keine Arbeit".
Geld kommt auch vor
Arbeit unter miesen Bedingungen, beispielsweise in Schlachthöfen oder auf Großbaustellen, kommt in dem WDR-Film nicht vor. Diese Arbeiter hatten vermutlich weder Zeit noch Kraft, sich auch noch bei ihrer schlecht bezahlten Knochenarbeit zu filmen. Das Stehen im Stau ist für einen Kurierfahrer freilich nervig genug, der Doktorand fragt sich einsam am Schreibtisch, was seine Nachbarn von einem wie ihm denken. Geld kommt auch vor - eher selten, aber dann eindrücklich: Lkw-Fahrer Dieter Haupt würde mit 77 Jahren lieber heute als morgen aufhören, wenn er denn mit seiner Rente von 987 Euro auskommen würde . Arbeitslosigkeit ist kurz präsent im verlassenen Gelände von Opel.
Der Grimme-Preisträgerin Luzia Schmid und ihrem Cutter Rudi Heinen ist es zweifellos gelungen, die unglaubliche Vielfalt dessen aufzuzeigen, was "Arbeit" ist und sein kann - mit Hilfe der Einsender/innen in auch filmisch gelungenen Bildern. "Natürlich können wir keinen kompletten Überblick über jede mögliche Arbeit bekommen", sagte die Regisseurin zu Beginn des Projektes. Stattdessen entstand erfreulicherweise keine voyeuristische "Reality-Show", auch keine trockene Dokumentation, sondern ein buntes Panorama aus unterschiedlichen Menschen und Schicksalen in NRW.
Ergebnis des Projektes ist neben dem Film auch ein Hörspiel (55 Minuten), in dem außer den arbeitenden Menschen auch zwei Soziologen und ein Wirtschaftswissenschaftler zu Wort kommen. Sie ordnen die individuellen Beiträge ein in einer Collage mit Fakten zur Arbeitsmarktentwicklung in der stärksten Wirtschaftsregion Deutschlands mit neun Millionen Beschäftigten und bewerten sie unter dem Motto "Was ist Arbeit im Jahre 2015?".
Ulla Lessmann
Film, Hörspiel und weitere Informationen unter: www.wdr.de/fernsehen/dokumentation_reportage/deinearbeit/index.html