Ausgabe 05/2015
„Dass alle am Ball bleiben“
"Dass alle am Ball bleiben"
Noch bis Anfang August werden die ver.di-Mitglieder unter den Beschäftigten in den Sozial- und Erziehungsdiensten zu dem Schlichtungsergebnis befragt. Die ersten Stimmen dazu sind vielschichtig
Aydan K., Sozialarbeiterin, Mitglied der Schlichtungskommission: "Die Verhandlungen waren hart, und die Schlichtung war genauso. Das heißt, das was unsere Kolleginnen und Kollegen auf die Straße gebracht haben, die Akzeptanz auch in der Öffentlichkeit, ist beim Arbeitgeber nicht angekommen. Er ist weiter hartnäckig geblieben. Es gibt ein positives Ergebnis, und zwar, dass wir alle Bereiche mitnehmen konnten, wenn auch nicht alle Beschäftigten, so aber doch vor allem die unteren Entgeltgruppen und die Behindertenhilfe. Das ist gut."
Dunja V., Erzieherin aus dem Bezirk Lübeck-Ost: "Wenn ich bedenke, dass wir vier Wochen gekämpft haben und dann: Alles heiße Luft! Das ist einfach furchtbar. Wir hatten so einen Zusammenhalt mit allen, und das geht jetzt kaputt. Ich glaube auch nicht, dass es nicht kaputt geht, wenn wir weiter streiken. ver.di muss intensiv weiter daran arbeiten, die Frauenberufe aufzuwerten. Wir stehen so schlecht da, weil viele von uns dieses soziale schlechte Gewissen haben."
Sven J., Erzieher in Brandenburg: "Gegenüber 2009 waren wir viel besser aufgestellt. Wir haben mit vielen Aktionen gezeigt, dass wir dabei sind. Aber unsere Kollegen sind einfach streikmüde. Für mich ist dieses Mal der Spatz in der Hand besser als die Taube auf dem Dach. Wir müssen erst mal kleinere Brötchen backen. Die Kollegen in der Schlichtungskommission haben bestimmt alles für uns getan, aber was nicht geht, das geht eben nicht. Ich wünsche mir sehr, dass die Kollegen, die jetzt in die Gewerkschaft eingetreten sind und mitgemacht haben, auch am Ball bleiben. Nur so können wir stärker werden und mit vielen kleinen Schritten vorangehen."
Lydia C., Sozialpädagogin: "Die Stimmung ist schwer einzuschätzen, weil im Schlichterspruch nicht steht, was wir uns erhofft und erwartet haben. Es ist weniger als die Hälfte von dem, was wir gefordert haben, und von daher bleibt abzuwarten, was dabei jetzt herauskommt und wie wir uns entscheiden."
Mirko K., Walderzieher aus Neumünster: "Das Schlichtungsergebnis ist nicht ansatzweise das, was wir gefordert haben. Es ist bitter, sich nur mit ein paar Krümeln zufrieden zu geben und andere fallen ganz hinten runter. Ich selbst bin gegen die Annahme. Ich komme besser mit einer Nullrunde klar als damit, dass jetzt ein Keil in die Solidaritätsbewegung getrieben wird. Den Gedanken daran finde ich viel schlechter."
Peter E., Sozialarbeiter, Mitglied der Schlichtungskommission: "Das Ergebnis ist überhaupt nicht das, was wir erwartet haben. Das ist nicht die Aufwertung, die ich erwartet habe, das sag ich auch. Aber es ist ein Schrittchen in die richtige Richtung. Und ich denke, dass das in aller Emotionalität diskutiert wird."
Linda S., Kita-Leiterin: "In der Streikdelegiertenkonferenz hat man sich auf ein gutes Ergebnis geeinigt. Nämlich alle Mitglieder zu befragen, wie bewertet ihr den Schlichterspruch, wie seht ihr die Annahme oder Ablehnung des Schlichterspruches. Ich finde, wir waren von Anfang an in einem Arbeitskampf, der hieß: Einer für alle, alle für einen! Und das wollen wir auch bis zum Ende durchstehen."
Peter E., Sozialarbeiter, Mitglied der Schlichtungskommission: "Am letzten Verhandlungstag nach der Schlichtung und der Streikdelegiertenkonferenz waren die Arbeitgeber nicht zu Verhandlungen bereit, die über den Schlichterspruch hinausgehen. Letzte Unklarheiten insbesondere bezüglich Höhergruppierungen und Stufenlaufzeiten konnten wir hier aber klären. Wir sind jetzt in der Lage, die Mitgliederbefragung mit einer soliden Informationsbasis zu starten. Ich denke, es ist ganz wichtig, dass wir die Mitglieder richtig informieren. Wir wollen auf Basis dieser Informationen mit den Mitgliedern reden, rückkoppeln und schauen, was da rauskommt. Was richtig spannend an der Mitgliederbefragung ist, und worauf ich mich auch freue, ist, dass es ein Prozess ist, bei dem man im direkten Austausch mit den Mitgliedern steht. Man ist vor Ort, man hört die Sorgen und Nöte und man ist in Diskussion über die Schlichterempfehlung. Das ist schon ein toller und intensiver Prozess. Und neben der Tatsache, dass wir über das Ergebnis reden, hoffe ich auch, dass die Nicht-Mitglieder mitkriegen, was hier gewerkschaftsintern abläuft, welche demokratischen Prozesse es bei uns in ver.di gibt. Ich finde, dieser intensive demokratische Prozess, die Mitgliederbefragung, dieser intensive Kontakt, das ist ein Alleinstellungsmerkmal von ver.di, und darauf können wir auch stolz sein."
Hanne W., Kita-Leiterin: "Ich war sehr aufgeregt zur Streikdelegiertenkonferenz gekommen, weil ich mit einer Wertung kam, dass wir die Schlichtung eigentlich ablehnen. Das Kopfgefühl sagt auch etwas anderes als das Bauchgefühl. Aber jetzt fühle ich mich wohl, jetzt wird eine Mitgliederbefragung gemacht, basisdemokratisch. Jetzt kann ich beruhigt meinen Mitgliedern erklären, wie das alles gekommen ist."
Sabine B., Sozialarbeiterin, Mitglied der Bundestarifkommission: "Die Tarifrunde ist als Aufwertungs-Kampagne gestartet, und das ist bei den Kolleginnen und Kollegen sehr gut angekommen. Die Kampagne hat viel in Bewegung gebracht und hat auch ein neues Bewusstsein für die verschiedenen Berufsgruppen geschaffen. Das Schlichtungsergebnis hat dann Betroffenheit ausgelöst. Auf der Mitgliederversammlung hat sich ziemlich viel Frust entladen, auch darüber, dass einzelne Berufsgruppen wie zum Beispiel die Sozialarbeiter/innen oder die Sozialpädagogen nach ihrem Empfinden bei dem Schlichterspruch nicht berücksichtigt wurden. Der Aufwertungskampagne wurde also überhaupt nicht Rechnung getragen. Dass es die Mitgliederbefragung gibt, finde ich richtig. Und ich hoffe, dass wir es parallel dazu schaffen können, diese Bewegung, die in Gang gekommen ist, weiter aufrecht zu erhalten."
Margit P., Veranstaltungstechnikerin, Mitglied der Bundestarifkommission: "Ich hab die Tarifrunde als sehr kraftvoll und energiegeladen empfunden. Ich habe mich auch gerne daran beteiligt, weil es ja um die dringend benötigte Aufwertung von Frauenberufen geht. Den Schlichterspruch würde ich persönlich ablehnen, weil er keine Aufwertung bedeutet und weil er eine relativ lange Laufzeit hat. Die Mitgliederbefragung finde ich gut, einfach um vor Ort zu diskutieren, was bedeutet eigentlich das Ergebnis ganz konkret. Das birgt natürlich die Gefahr, dass sich die eine oder andere Stimme durch den Betrag kaufen lässt. Aber ich finde auch, dass in der Zeit der Mitgliederbefragung gemeinsam diskutiert werden sollte, wie können wir eigentlich diese gesellschaftspolitischen Kämpfe weiter führen."
Wer bewertet das Ergebnis?
Die Mitglieder werden noch bis zum 5. August 2015 meist in den Einrichtungen und auf Versammlungen über Inhalte und Auswirkungen der Schlichtungsempfehlung informiert und können ihre Fragen stellen. Zusätzlich wird empfohlen, in den ver.di-Bezirken und -Geschäftsstellen zentrale Wahlbüros einzurichten, damit auch die Kollegen/innen, deren Einrichtungen geschlossen sind, die Möglichkeit der Stimmabgabe haben. Die Mitgliederbefragung wird geheim durchgeführt.
Wie die Mitgliederbefragung funktioniert
Da es sich um einen Flächentarifvertrag handelt, wird das Ergebnis ausschließlich bundesweit zusammengestellt, veröffentlicht und dann in der nächsten Streikdelegiertenkonferenz am 8. August 2015 bewertet. Danach wird am 12. August 2015 die Bundestarifkommission darüber befinden und ebenfalls je nach Ausgang der Mitgliederbefragung entsprechende Beschlüsse fassen.
"Ich finde, dieser intensive demokratische Prozess, die Mitgliederbefragung, dieser intensive Kontakt, das ist ein Alleinstellungsmerkmal von ver.di, und darauf können wir auch stolz sein."