Streik bei der Post im Juni in Berlin

Das Unternehmensziel ist denkbar schlicht: Gewinne rauf - und dafür Löhne runter. Wie das in einem tarifgebundenen ehemaligen Staatsbetrieb funktioniert, an dem der Bund bis heute mehr als 20 Prozent der Anteile hält, das hat in diesen Wochen die Deutsche Post AG vorgeführt. Dabei folgt sie dem alten Machtprinzip: "Teile und herrsche." Seit Jahren wirkt der Konzern systematisch darauf hin, zwei Klassen von Beschäftigten in seinen Unternehmen zu schaffen: hier die unbefristet Tätigen, dort die Beschäftigten, die über Jahre hinweg nur befristet angestellt werden.

Zu Beginn des Jahres gab es bei der Post bereits rund 26.000 befristet Beschäftigte, in einem Unternehmen immerhin, das sich selbst gern als Arbeitgeber rühmt, dem die Verantwortung für seine Angestellten teuer ist. In barer Münze allerdings wohl zu teuer. Und da empfiehlt die neoliberale Lehre, deren oberstes Ziel die Erhöhung der Rendite ist, die Ausgründung als probates Instrument. Und zwar am besten gleich in großem Stil: 49 Regionalgesellschaften, die DHL Delivery GmbHs, wurden gegründet.

Dort bietet die Post den bei der Konzernmutter befristet Beschäftigten zwar Verträge ohne Befristung an, dafür aber weniger Lohn, und zwar in Größenordnungen: Bei Delivery verrichtet ein Paketzusteller die gleiche Arbeit wie zuvor bei der Post, aber für bis zu 20 Prozent weniger Lohn übers Jahr. Und die Bundesregierung schaut diesem sorgsam eingefädelten Lohnraub tatenlos zu; schließlich müht sie sich - in welcher Farbschattierung auch immer - seit Jahren nach Kräften, dem hemmungslosen Renditestreben die Wege zu ebnen.

Dabei stört offenkundig nicht einmal, dass die Post AG mit der Ausgründung Vertragsbruch begangen hat. Tarifvertraglich war festgelegt, dass nur ein begrenztes Maß an Fremdvergabe erfolgen darf. Dieses Maß aber wird mit der Auslagerung in die Regionalgesellschaften bei weitem überschritten.

Vertragstreue wird abgehakt

Vertragstreue? Sozialpartnerschaft? Soziale Marktwirtschaft? Längst abgehakt, entsorgt im Fach Sozialromantik. Hier geht es um anderes: Von derzeit knapp drei Milliarden Euro sollen die Gewinne der Deutschen Post AG schon mittelfristig auf fünf Milliarden steigen. Diesen Plan stellte Post-Chef Frank Appel voriges Jahr unter dem Titel "Strategie 2020" vor und verkündete, sein Konzept sei "keine Revolution, sondern eine Weiterentwicklung". Ein schönes Wort für Vertragsbruch und Lohndrückerei.

Gegen diese Unternehmensstrategie haben die Beschäftigten der Deutschen Post AG in den vergangenen Wochen einen harten Abwehrkampf führen müssen: einen mehrwöchigen Streik, den das Management der Post mit allen, sogar illegalen Mitteln zu unterlaufen versucht hat. In Missachtung der Arbeitszeitgesetze heuerte sie Leute an, die gegen Prämien auch am Sonntag die liegengebliebene Post austragen sollten. Sie setzte Werkverträge und Leiharbeit ein, selbst von weither aus Osteuropa hat sie Streikbrecher herangekarrt. Trotzdem haben die Beschäftigten mit ihrem Streik Schutzbestimmungen sowie die Übernahme eines Teils der befristet Beschäftigten in unbefristete Arbeitsverhältnisse durchsetzen können, die Rückführung der neuen Regionalgesellschaften in den Mutterkonzern allerdings nicht.

Zu erleben ist ein Strukturbruch in der Arbeitswelt, für den seinerzeit die rot-grüne Koalition mit ihren sogenannten Arbeitsmarktreformen die Instrumente geliefert hat. Dazu gehört etwa die weitreichende Lockerung der Bestimmungen zur Leiharbeit. Zur Ausweitung der Leiharbeit kamen der Missbrauch von Werkverträgen und die ausufernde sachgrundlose Befristung. Es handelt sich um die systematische Aushöhlung gesicherter Beschäftigungsverhältnisse, die sich mittlerweile bis in einen Betrieb mit Bundesbeteiligung wie die Post hineingefressen hat.

Diesen Prozess kann eine Belegschaft allein wohl nicht ausbremsen. Hier muss der Gesetzgeber ran: Dem Missbrauch von Befristung, Leiharbeit und Werkverträgen muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Dazu braucht es gesellschaftlichen Druck. Und der wird stark sein müssen.

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