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Gruppenbild mit Damen – geballte Frauenpower bei der Demonstration vor der 1. Verhandlungsrunde im öffentlichen Dienst bei Bund und KommunenFoto: Kay herschelmann

Sie erstellen unsere Ausweise, kümmern sich um unsere Kleinsten, versorgen Kranke und halten den öffentlichen Nahverkehr am Laufen. Sie entsorgen unsere Abfälle, pflegen Parks und kümmern sich um Strom und Wasser. Auch für unsere Sicherheit sind sie da, löschen Feuer, retten Leben, helfen bei Katastrophen. Tagtäglich setzen sie sich dafür ein, dass die öffentliche Versorgung funktioniert, bis über die Belastungsgrenzen hinaus. Die Menschen im öffentlichen Dienst. Sie sind für ihre harte Arbeit nicht auf Rosen gebettet, wie manche glauben mögen. Die Aufgaben nehmen stetig zu, sind anspruchsvoller geworden, auch durch die zahlreichen Krisen. Ob in den Jobcentern, den Wohngeldämtern, im Sozial- und Erziehungsdienst oder in der Pflege, überall wächst der Berg an Arbeit, erhöht sich der Druck, überall fehlen Fachkräfte.

Jetzt geht es in der Tarifrunde um anständige Lohnsteigerungen für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen, damit sie finanziell über die Runden kommen. Es geht dabei aber auch darum, endlich wieder mehr Menschen für diese Berufe zu interessieren und zu gewinnen. Das geht nur mit guten Löhnen. Die viel zu dünne Personaldecke muss wieder dicker werden. Dafür sind die Beschäftigten bereit zu kämpfen, für anständige Lohnsteigerungen, für konkurrenzfähige Arbeitsplätze und dafür, dass nicht noch mehr Personal abwandert.

Denn auch das gehört zur Wahrheit: Für ihren harten Beruf werden die Beschäftigten teilweise bespuckt, mit Steinen beworfen und beschimpft, wie an Silvester die Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei. Aber auch Pflegekräfte, Beschäftigte in Jobcentern und auf den Ämtern berichten von Angriffen. Jörg Pfenning, 55 Jahre, ist seit über 20 Jahren im Rettungsdienst. Er will "Menschen helfen, einen erfüllenden Job machen", sagt er. Aber die Belastung und die Verantwortung seien extrem hoch und die Arbeitszeiten viel zu lang. "Immer wieder arbeiten wir über unsere Belastungsgrenze hinaus. Die Leute sind am Limit und fallen krankheitsbedingt aus." Das alles darf nicht sein. Die Menschen im öffentlichen Dienst, sie brauchen Schutz, gesunde und sichere Arbeitsplätze. Dazu gehört auch, dass genügend Leute da sind, die die Arbeit machen.

Allerbestes Demowetter

Am 24. Januar haben für 2,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen die Tarifverhandlungen begonnen. 10,5 Prozent mehr Lohn sind gefordert, mindestens 500 Euro, für Azubis 200 Euro. Um die Verhandlungen zu unterstützen sind zum Auftakt mehrere hundert Beschäftigte aus Rettungsdiensten, Krankenhäusern, Verwaltungen, Stadtreinigung, Wasserwerken, Polizei und weiteren Bereichen nach Potsdam gefahren, auch Jörg Pfenning. Vor dem Verhandlungshotel haben sie gemeinsam deutlich gemacht, dass sie die Lohnsteigerung dringend brauchen und bereit sind, für ihre Forderungen zu streiken.

Bis zum Verhandlungsauftakt hatten sich schon rund 340.000 Beschäftigte an der ver.di-Umfrage zur Unterstützung der Forderung beteiligt – dem Stärketest, und jeden Tag werden es mehr. "Unsere Forderung ist nicht zu hoch", rief der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke den zum Teil weit angereisten Beschäftigten zu und ergänzte: "Der Frühling kommt und damit allerbestes Demowetter."

Miete, Strom, Gas, Brot und Nudeln, alles wird teurer. Auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen das bezahlen können. Um die Preissteigerungen sichtbar zu machen, haben sie Schilder mitgebracht: "Erdgas 75,1 % teurer", "Nudeln 32 %", ist darauf zu lesen. Auch das: "Butter: 47,9 %" und "Strom: 18,1 %". Die Menschen im öffentlichen Dienst sind aber auch deshalb besonders hart von den gestiegenen Preisen betroffen, weil der Tarifabschluss 2020 pandemiebedingt zu Reallohnverlusten geführt hat. Jetzt sind ordentliche Lohnsteigerungen nötig.

Ein positives Signal sendeten die Arbeitgeber am ersten Verhandlungstag nicht. Die Antwort darauf ist klar. "Die Belegschaften werden sich in dieser Tarifrunde nicht mit warmen Worten abspeisen lassen", betonte der ver.di-Vorsitzende nach den Verhandlungen gegenüber der Presse. Ob Pandemie oder die Folgen des Krieges in der Ukraine – der öffentliche Dienst sei schließlich gefordert wie nie.

Sanitäterin Lisa Schobert, 35 Jahre, ist wie Jörg Pfennig ebenfalls nach Potsdam angereist. Sie kommt aus Aurich, arbeitet seit elf Jahren in dem Beruf. "Wegen der langen Bereitschaftszeiten kommen wir auf 48 Stunden die Woche. Bezahlt werden aber nur 39 Stunden", berichtet sie. "Wir wollen von den 48 Stunden runter." Auch bei ihnen sei der Krankenstand sehr hoch. "Oft müssen wir uns etwas am Imbiss holen, weil mal wieder keine Zeit für Frühstück und Mittagessen war", sagt sie. Aber es fehle auch Geld: "Alles ist viel teurer geworden."

Wer den Beschäftigten wie Lisa und Jörg zuhört, merkt schon bald: Viele Beschäftigte fühlen sich ausgebrannt. So auch Martina Metze, 57 Jahre, seit 41 Jahren Krankenschwester, seit 34 Jahren an der Berliner Charité. Sie erzählt, dass die Arbeitsbedingungen "immer krasser wurden". Viele Jahre habe sie auf der Intensivstation in drei Schichten gearbeitet. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr einschlafen konnte." Sie ließ sich versetzen und arbeitet nun im Aufwachraum, in zwei Schichten. Nach Potsdam ist sie gekommen, um die Forderung von 10,5 Prozent zu unterstützen. "Ich bin in ver.di, denn es kümmert sich sonst keiner um uns", betont sie.

Fachkräfte fehlen an allen Ecken und Enden

Beschäftigte wie Martina brennen auch deshalb aus, weil Fachkräfte an allen Ecken und Enden fehlen. Schon jetzt sind es 300.000, aber: Demnächst werden die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Dann werden noch mehr Fachkräfte fehlen. Bis 2030 gibt es im öffentlichen Dienst einen Personalbedarf von rund einer Million Beschäftigten. Doch im Wettbewerb mit privaten Unternehmen ist der öffentliche Dienst bei der Arbeitskräftegewinnung aufgrund der Bezahlung und der Arbeitsbedingungen häufig nicht attraktiv genug. Das muss sich ändern, um Fachkräfte zu finden und auszubilden. Es muss jetzt alles getan werden, um den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber wieder attraktiv zu machen. Dazu gehören vor allem höhere Entgelte und gute Arbeitsbedingungen.

Holger Kunig, 51, beschäftigt bei den Berliner Wasserbetrieben und Personalrat, sagt: "Wir brauchen den Inflationsausgleich. Der muss mindestens rauskommen." Kunig betont zudem: "Wir merken bei uns den Fachkräftemangel, vor allem im Elektronikbereich. Wo das meiste Geld gezahlt wird, da gehen die Leute hin. Bei uns ist die Arbeitsverdichtung hingegen überall spürbar." Von seinen Kolleginnen und Kollegen erwartet er, "wenn zum Streik aufgerufen wird, müssen sie für ihre Sache auf die Straße gehen. Wir schaffen das nur gemeinsam."

Die 5 wichtigsten FAQs

1. Welche Tarifverträge gibt es im öffentlichen Dienst?

Seit 2006 existieren im öffentlichen Dienst zwei unterschiedliche Tarifverträge. Die Arbeitsbedingungen der Tarifbeschäftigten der Länder sind im "Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder" und in Hessen in einem eigenen Tarifvertrag geregelt. Für die Tarifbeschäftigten im Bereich des Bundes und der Kommunen gilt der "Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst", kurz TVöD. Verhandelt wird auch für die kommunalen Versorgungsunternehmen, die unter den Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) fallen, sowie für die kommunalen Nahverkehrsunternehmen mit den jeweiligen landesweiten Tarifverträgen Nahverkehr (TV-N).

2. Für wen wird verhandelt?

Es handelt sich um die Tarifrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen (TVöD, TV-V, TV-N).

3. Was fordert ver.di für die Beschäftigten?

Gefordert ist eine Anhebung der Einkommen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von 12 Monaten. Dadurch bekommen vor allem Beschäftigte mit niedrigen Einkommen die dringend benötigten Erhöhungen. Die Entgelte der Auszubildenden, Studierenden und Praktikant*innen sollen um 200 Euro monatlich angehoben werden. Das Ergebnis soll zeit- und wirkungsgleich auf Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter, Soldatinnen und Soldaten sowie Versorgungsempfängerinnen und -empfänger übertragen werden.

4. Warum eine Laufzeit von 12 Monaten?

Diese kurze Laufzeit ist notwendig, damit ver.di zeitnah auf die weitere Inflationsentwicklung reagieren kann.

5. Was ist der Stärketest?

Der Stärketest ist eine Umfrage, die zeigt, wie viele Beschäftigte hinter den Forderungen von ver.di stehen und bereit sind dafür zu streiken. Bis jetzt haben 335.000 Beschäftigte teilgenommen

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