Maria Kniesburges ist Chefredakteurin der ver.di publik

Es ist eine gute Nachricht - und doch auch wieder nicht. Der Mindestlohn für Pflegekräfte, den ver.di schon Mitte 2010 durchgesetzt hat, gilt ab diesem Oktober auch für Betreuungskräfte in der Pflege. Soweit die gute Nachricht, weil den skandalösen Niedriglöhnen immerhin ein weiteres Mal eine Grenze gesetzt werden konnte.

Doch es fragt sich erstens: Warum erst jetzt? Zu den Betreuungskräften zählen alle jene, die überwiegend in der Altenpflege Demenzkranke oder andere Pflegebedürftige in ihrem Alltag betreuen und unterstützen. Eine wichtige, eine auch körperlich oftmals sehr schwere Arbeit. Eine Arbeit, die Geduld, Verständnis und Einfühlungsvermögen verlangt. Eine Arbeit, die emotional belastend sein kann. Und das mitunter bis tief in den Feierabend hinein. Eine Arbeit, die unverzichtbar ist, die meist den höchsten Einsatz verlangt - und doch erst jetzt mit dem branchenüblichen Mindestlohn vergütet wird. Und das sind derzeit 9,40 Euro in den alten und 8,65 Euro in den neuen Bundesländern.

Da fragt es sich zweitens: Warum so wenig? ver.di hatte mindestens 12,50 Euro pro Stunde gefordert, und das darf wohl durchaus als gewerkschaftliche Zurückhaltung und Bescheidenheit betrachtet werden. Aber den privaten Altenheimbetreibern und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber ist es immer noch bei weitem zu viel. Monatelang jedenfalls wurde um die Höhe des Mindestlohns gerungen und geschachert. Dabei geht es um einen Dienst am Menschen. Und da fragt es sich drittens, warum der in den neuen Bundesländern noch immer schlechter bezahlt wird als in den alten. Warum, wenn nicht allein aus Gründen des unsozialen, ja unsinnigen Sparens und der Erhöhung der Renditen bei den privaten Arbeitgebern.

Wie menschlich und sozial eine Gesellschaft ist, das misst sich ohne Zweifel auch daran, wie sie mit ihren alten Menschen umgeht. Also auch daran, was ihr der Dienst an diesen Menschen wert ist. Nicht viel offenbar. Ein neuerliches Armutszeugnis für ein reiches Land.