Ausgabe 06/2015
Stress auf den Stationen
Obwohl in den 171 Krankenhäusern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Pflegekräfte fehlen, sind für die Auszubildenden in Sachen Übernahme keine sonnigen Zeiten angebrochen. Es fehlt den Krankenhäusern das Geld, um offene Stellen zu besetzen. Im Dresdner Krankenhaus Friedrichstadt werden derzeit rund 150 junge Menschen in Pflegeberufen ausgebildet, pro Lehrjahr etwa 50, und fast alle beenden ihre Ausbildung mit einem Abschluss. Eine Übernahmeregelung gibt es für sie nicht. Im letzten Jahr haben von 45 Azubis nur zehn ein Angebot bekommen - befristet auf zwei Jahre.
Bernadette Beitz hat vier Jahre in der Jugend- und Auszubildendenvertretung, JAV, aktiv daran mitgewirkt, an dieser Situation etwas zu ändern. Sie hat ihre Ausbildung beendet und arbeitet inzwischen auf der Palliativstation. Sie wird sich weiter im Personalrat dafür engagieren, dass die Qualität der Ausbildung stimmt, die Praxisanleitung für die jungen Leute auf den Stationen verbessert und die Urlaubstage geregelt werden. Und Schwerpunkt bleibt für sie und ihre Mitstreiter/innen die Regelung zur Übernahme der Auszubildenden.
Der tägliche Druck auf den Stationen ist groß. Das erleben die jungen Leute auch in ihrer Ausbildungszeit. Sie müssen sich in kurzer Zeit in die Abläufe der Stationen einarbeiten. Der Stellenplan ist so knapp bemessen, dass sich Ausfälle von Kolleg/innen gravierend auswirken und die Anleitung für die Azubis erschweren. Sie merken schnell, dass ihr Alltag weniger mit der modernen Medizintechnik zu tun hat: mehr Schieber als Defibrillator, so beschreibt es Krankenpfleger und Personalrat Wolfgang Vogel. Für ihn hat sich schnell der Blickwinkel auf seinen Beruf geändert. Doch sein Grundmotiv für die Berufswahl, nämlich Menschen zu helfen, ist geblieben, nur ist es in dem Beruf anders als anfangs gedacht. Wie Bernadette Beitz engagiert auch er sich dafür, dass der alltägliche Ablauf im Krankenhaus für die Beschäftigten und die Patienten angemessen ist.
Die übliche Alterspyramide
Jedes Jahr organisieren JAV und Personalrat eine Ausbildungskonferenz. Da sitzen sie dann mit den Medizinpädagogen und Praxisanleitern an einem Tisch. Ausgewertet werden dort auch die Bewertungsbögen, die die JAV an die Azubis verteilt hat. Die JAVler wissen dann schon, was sich für die jungen Leute ändern muss und benennen es auch. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich seitens der Pflegedienstleitung oder Geschäftsführung die Aktivitäten überschlagen. Da hilft den Interessenvertretern der Beschäftigten nur, hartnäckig dranzubleiben. Wolfgang Vogel spricht auch an, dass sich im Friedrichstädter Krankenhaus die übliche Alterspyramide zeigt: Das Gros der Mitarbeiter ist in der Altersgruppe zwischen 40 und 50 Jahren. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Bewerber/innen für eine Ausbildung in Pflegeberufen zurückgehen wird. Es muss einiges passieren, um Jugendliche zu motivieren, sich für den Beruf zu interessieren. Dazu gehören eine Reform der Ausbildung, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Regelungen zur Übernahme nach erfolgreichem Abschluss, aber auch die Verringerung des psychischen und physischen Drucks im Stationsalltag. Das ist auch für die beiden Personalräte und viele ihrer Kollegen die Motivation, sich für die gesetzliche Personalbemessung einzusetzen - mit Aktionen wie schon am 24. Juni, als sie mit 80 Leute dafür am Eingang ihres Krankenhauses standen.
btr