Karl-Heinz Ott: Die Auferstehung

Der Papa ist tot, eingeschlafen auf dem Sofa. Eiligst und dominant trommelt Tochter Linda ihre drei Brüder zusammen, denn jetzt geht es darum, das Fell des Bären zu verteilen. Panik kommt auf, als sie erfahren, dass beim Notar ein Testament hinterlegt ist. Wer kriegt was? Oder hat der Alte viel oder alles seiner ungarischen Pflegerin vermacht, die sich mit angeblich vollem Körpereinsatz jahrelang um ihn gekümmert hat? Was einer Katastrophe gleichkäme, denn gerade die Jungs sind finanziell reichlich klamm, und das dauerhaft. Es folgt eine lange Nacht neben dem Leichnam des Vaters, in der die unterschiedlichen Charaktere und Lebensentwürfe aufeinanderprallen und die Gegensätze mit jeder Menge Alkohol ertränkt werden. Manch eine Maske fällt, manch Ungeheuerliches geschieht. Die Katerstimmung am Morgen ist gewaltig, als plötzlich klar wird: Geerbt wird erstmal nix. Ein witziger, böser - und auch ein wenig trauriger - Roman über eine Generation, die es nicht geschafft hat, an das anzuschließen, was ihre Eltern erreicht haben. Tina Spessert

HANSER VERLAG, 349 S., 22,90 €


Christoph Beyer: Heimzahlung

Seit den 50er bis in die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein wurden in kirchlichen Heimen hunderttausende Kinder gequält, missbraucht und zu Sklavenarbeit gezwungen. Die Opfer der christlichen Obhut leiden bis heute. Nach der Aufdeckung der furchtbaren Zustände vor einigen Jahren sind trotz "runder Tische" dennoch viele Fragen ungeklärt. Der Journalist Christoph Beyer hat in seinem ersten Kriminalroman mit dem in vielerlei Hinsicht programmatischen Titel Heimzahlung einige äußerst brisante, gleichwohl absolut plausible Antworten auf beispielsweise die Frage gefunden, wo die gewaltigen Gewinne geblieben sind, die die Kinder und Jugendlichen durch ihre Schufterei erwirtschaftet haben. Armin Sommer, einer dieser ehemals Ausgebeuteten, findet im Alter heraus, dass Nazi-Kriegsverbrecher als "Personal" in diesen Heimen untertauchen durften - und bezahlt sein Wissen schließlich mit dem Leben. Christoph Beyer lässt im krimimäßig bislang unauffälligen Osnabrück mit einem sympathisch normalen Kommissar, einem engagierten jungen Wissenschaftler, der über die Kinderheime promoviert, und einem investigativen Journalisten ein glaubwürdiges - womöglich serientaugliches - Trio das komplizierte Geflecht aus alten Seilschaften und neuen Kameradschaften enthüllen. Das ist spannend aufgebaut, hochpolitisch, bedient das Genre mit einem weiteren Mord und Verfolgungen an den dramaturgisch richtigen Stellen und wartet mit einigen überraschenden Wendungen auf. Für immerhin einen der Protagonisten gibt es ein winziges Happyend, und das hat man dann nach den schrecklichen Geschehnissen tatsächlich mal ganz gern. Ulla Lessmann

GMEINER VERLAG, 275 S., 10,99 €