Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung, Hanns-Werner Sinn, gehörte zu den ersten im Land, die sich den Zustrom von Flüchtlingen nach Europa und Deutschland für ein altes Anliegen zunutze machen wollten. "Um die neuen Arbeitskräfte in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren, wird man den gesetzlichen Mindestlohn senken müssen", ließ er Anfang September über die Wirtschaftswoche wissen. Und auch der CDU-Wirtschaftsrat meldete sich flugs mit einem Positionspapier zu Wort und forderte "gesenkte Einstiegslöhne für Flüchtlinge" und folglich auch eine "befristete Ausnahme vom gesetzlichen Mindestlohn". Professor Sinn legte schließlich noch schärfer nach: "Die Bundesrepublik sollte den Mindestlohn ganz aufheben oder senken", ließ er sich unlängst in der Süddeutschen Zeitung zitieren.

Aber Wirtschaftsrat und Sinn haben sich prompt Widerspruch eingehandelt, und zwar vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitsgeberverbände (BDA) gleichermaßen. Man sei sich einig, ließen deren Spitzen nach einem gemeinsamen Treffen von Wirtschaft und Gewerkschaften bei der Arbeitsministerin Ende Oktober wissen, dass es "keinerlei Ausnahmen vom Mindestlohn geben" werde. Ein BDA-Sprecher erklärte im Handelsblatt: "Bei der Beschäftigung von Flüchtlingen gelten die gleichen arbeitsrechtlichen und tarifvertraglichen Regelungen wie bei allen anderen Beschäftigten in Deutschland. Der Vorschlag, Flüchtlinge vom allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn auszunehmen, ist abwegig." Und der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann bekräftigte, es müsse alles getan werden, um zu verhindern, dass Flüchtlinge Beschäftigte zweiter Klasse werden.

Gemeinsam organisiert

Wolfgang Pieper vom ver.di-Bundesvorstand sagte: "Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration ist die Gleichstellung aller Arbeitnehmer, was Schutz, Mindeststandards und Entlohnung betrifft." Auch der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hatte auf dem ver.di-Bundeskongress herausgestellt: "Unsere Aufgabe ist es auch, zu verhindern, dass diejenigen, die hierher kommen, um zu arbeiten, in ausbeuterische Beschäftigung abgedrängt werden. Wir wollen dazu beitragen, dass diejenigen, die kommen, und diejenigen, die hier sind, nicht gegeneinander ausgespielt werden - sondern gemeinsam organisiert in den Gewerkschaften für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen kämpfen."

Weil die Belastung der Beschäftigten in den Dienststellen, Ämtern und Verwaltungen, die für die Flüchtlinge zuständig sind, erheblich ist, forderte ver.di Ende Oktober abermals eine bessere Personalausstattung. Allein das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) müsse von derzeit 3.000 auf 9.000 Stellen aufgestockt werden. In den Jobcentern fehlen bundesweit mindestens 2.000 Beschäftigte im Bereich Arbeitsvermittlung und -förderung, schätzt ver.di. Auch der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) hat Ende Oktober in einer Erklärung zur Flüchtlingsthematik darauf hingewiesen, dass die "Jobcenter personell und finanziell deutlich besser ausgestattet werden müssen, um für die Herausforderungen gerüstet zu sein". Die Vorsitzende des Verwaltungsrats der BA, Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand, wird an gleicher Stelle zitiert: "Inländische Ausbildungssuchende und Arbeitslose dürfen nicht gegen Flüchtlinge und Asylsuchende ausgespielt werden. Vielmehr müssen sie wirksam unterstützt werden, um ihnen eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen."