Ausgabe 07/2015
Verschlossene Türen
Abfuhr für die geplanten Freihandelsabkommen
Von Heike Langenberg
Der Widerstand gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA war Mitte Oktober in Berlin deutlich öffentlich sichtbar. Nach Veranstalterangaben demonstrierten am Brandenburger Tor rund 250.000 Menschen für einen fairen Welthandel. Auch ver.di hatte gemeinsam mit anderen Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zur Teilnahme an der Demo aufgerufen. Im Mittelpunkt stand die Forderung, TTIP und CETA zu stoppen. Die EU-Staaten verhandeln zur Zeit mit den USA über TTIP, die Verhandlungen mit Kanada über CETA sind abgeschlossen.
Hinzu kommt das TISA-Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen, über das die EU derzeit mit Ländern wie Kanada, den USA, Japan, Australien und der Schweiz, aber auch mit weiteren Ländern in Lateinamerika und Asien verhandelt. Lediglich Singapur und Uruguay haben sich davon wieder zurückgezogen (siehe ver.di publik 06/2015).
Schutzrechte sinken
Gemeinsam ist allen drei Abkommen, dass sie hinter verschlossenen Türen verhandelt werden. Gegner/innen befürchten, dass Schutzstandards wie Arbeits- und Verbraucherrechte stark abgesenkt werden könnten. So sind die Verhandlungen zu TISA von Wirtschaftslobbyist/innen angestoßen worden, mit dem Ziel, Liberalisierungen durchzusetzen und Regulierungen abzuschaffen (siehe ver.di publik 05/2015). Die Öffentlichkeit soll den Vertragstext erst Jahre nach dem Abschluss zu sehen bekommen. Die Internationale der öffentlichen Dienste (IÖD), der auch ver.di angehört, befürchtet, dass multinationale Unternehmen zu den Gewinnern des Abkommens zählen, auf der Verliererseite hingegen Arbeitnehmer/innen stehen, denen Arbeitsplatzverluste und Lohnkürzungen drohen, sowie öffentliche Dienste und kleinere lokale Unternehmen.
Bei den Parlamentswahlen in Kanada hat sich Mitte Oktober der Linksliberale Justin Trudeau durchgesetzt. Damit gibt es jetzt auch eine Chance für Nachverhandlungen bei CETA. Denn in Kanada sind die Investoren-Schiedsgerichte umstritten. Vor diesen privaten Gerichten können Unternehmen klagen, wenn sie der Meinung sind, dass sie durch politische Entscheidungen benachteiligt worden sind. Das ist auch einer der wesentlichen Kritikpunkte der europäischen Kritiker/innen von TTIP und CETA. Sie sind auch im nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA institutionalisiert. In der Vergangenheit ist Kanada mehrfach erfolgreich von amerikanischen Unternehmen auf hohe Ersatzzahlungen verklagt worden.
Dazu zählt zum Beispiel ein Verfahren, das US-amerikanische Ölfirmen angestrengt hatten. Sie wollten sich damit gegen Verordnungen regionaler Regierungen wehren, nach denen Ölfirmen in einen Sonderfonds zur Entwicklung und Förderung benachteiligter Regionen einzahlen sollten.
Allein gegen TTIP und CETA hat eine selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (EBI) bis Anfang Oktober 3.284.289 Unterschriften in ganz Europa gesammelt. Dabei wurde in 23 Ländern das nötige Quorum erreicht, nötig gewesen wären für eine reguläre EBI eine Million Unterschriften und das nötige Quorum in sieben Ländern. Jedoch hatte die Europäische Kommission die EBI im Sommer 2014 abgelehnt. Um dennoch zu zeigen, wie groß der Widerstand gegen die geplanten Abkommen ist, hatte das Bündnis aus mehr als 500 europäischen Organisationen trotz der Ablehnung beschlossen, unter den gleichen Bedingungen wie bei einer regulären EBI Unterschriften zu sammeln. Und der Erfolg der Sammlung zeigt, wie viele Menschen erhebliche Zweifel an den Versprechungen haben, die von offizieller Seite mit diesen Freihandelsabkommen verbunden werden. Er macht aber auch deutlich, wie groß der Wunsch nach transparenten Verhandlungen ist.
Derzeit können deutsche Bundestagsabgeordnete nur in einem speziellen Leseraum in der US-Botschaft die Unterlagen zum Verhandlungsstand einsehen. Die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström sagte Ende Oktober in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dies sei nur eine "Übergangslösung". Es werde daran gearbeitet, in den Mitgliedsstaaten zusätzliche Leseräume für vertrauliche Dokumente bereitzustellen.