Ausgabe 01/2016
Bauern auf den Barrikaden
So geht es für sie nicht mehr weiter. Griechinnen und Griechen auf einer von vielen Protestdemos in Athen
Geht es nach dem Willen von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank, werden die Renten in Griechenland weiter gekürzt. Ein von Arbeitsminister Giorgos Katrougalos vorgestellter Plan sieht Einschnitte bei den Zusatzrenten der heutigen Rentner vor, noch mehr aber Beitragserhöhungen und kleinere Renten für alle noch im Arbeitsleben Stehenden. Insgesamt muss die Regierung nach der im letzten Sommer mit den Gläubigern ausgehandelten Vereinbarung allein in diesem Jahr 1,8 Milliarden Euro an staatlichen Zuschüssen zum Rentensystem einsparen.
Trecker blockieren die Autobahn
Darauf reagieren die Betroffenen mit erbittertem Widerstand. Insbesondere die Bauern, denen zusätzlich zu einer Erhöhung der Einkommenssteuer auch die Rentenkassenbeiträge bis 2019 von derzeit sieben auf 20 Prozent des Einkommens angehoben werden sollen, sind seit Mitte Januar auf den Barrikaden. Sie haben sich mit tausenden Treckern überall im Land an den wichtigsten Verkehrsadern gesammelt und blockieren die Straßen täglich stundenweise. Auch Landwirtschaftsminister Vangelis Apostolou bekam ihren Zorn zu spüren. Aufgebrachte Landwirte umzingelten Mitte Januar für zwölf Stunden das Gebäude in Nordgriechenland, in dem er sich aufhielt. Erst am späten Abend und nach Verhandlungen mit der Staatsanwaltschaft konnte er das Gebäude wieder verlassen.
Andreas Tsoukalas, Vorsitzender einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, bezeichnete das Regierungsvorhaben als "Grabstein für den Beruf des Landwirts". Dagegen zögen die Bauern alle an einem Strang, sagte er der Presse am Blockadepunkt an der Autobahn zwischen Patras und Pyrgos. "Wir werden uns dafür stark machen, dass die Rentenreform nicht durchgebracht wird." Die für die griechischen Wochenmärkte produzierenden kleinen Landwirte bauten ihre Stände vor dem Athener Arbeitsministerium auf und verteilten ihre Produkte kostenlos an vorbeiziehende Bürger. Die geplanten Maßnahmen bei Steuern und Versicherungsbeiträgen liefen darauf hinaus, dass "ein Bauer mit einem Jahreseinkommen von 5.000 Euro davon 4.000 Euro an den Staat abgeben muss", erklärte ihr Vorsitzender Pandelis Moshos dabei.
Anwälte im Dauerstreik
Doch die Bauern sind nicht die einzige Berufsgruppe, die landesweit auf die Straße geht. Den Anfang machte am 12. Dezember ein von den beiden Gewerkschaftsdachverbänden des Landes GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) sowie von der kommunistischen Gewerkschaftsfront PAME ausgerufener Generalstreik. Ein weiterer ist für den 4. Februar geplant.
Die Vorschläge der Regierung dienten nicht der Rettung des sozialstaatlichen Rentenwesens, heißt es im Aufruf der ADEDY zum Generalstreik. Sie stünden vielmehr im Einklang mit den von der Regierung eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern Griechenlands, in denen die Verminderung der Ausgaben für die Renten um 1,8 Milliarden Euro 2016 und in den folgenden Jahren festgelegt wurde, die den Gläubigern Griechenlands zur Begleichung der "untragbaren, illegalen und ungerechten öffentlichen Schulden des Landes" zukommen sollen.
Bis zum 4. Februar verging kaum ein Tag ohne weitere Proteste, die von Demonstrationen über Streiks bis zu symbolischen Besetzungen diverser staatlicher Einrichtungen reichen. So sorgten die am 27. und 28. Januar streikenden Seeleute erneut dafür, dass an diesen Tagen kaum ein Schiff einen griechischen Hafen verließ. Die Rechtsanwälte des Landes sind seit dem 14. Januar im Dauerstreik, Prozesse finden derzeit nur in Ausnahmefällen statt. Die Anwälte stehen damit an der Seite der Berufsverbände für Ingenieure und im Wissenschaftsbetrieb arbeitende Freiberufler. Denn auch für sie sieht die angekündigte Reform eine Erhöhung der Rentenbeiträge auf 20 Prozent des Einkommens vor.
Die Demonstrationen tausender Ingenieure, Anwälte, Ärzte, Biologen, Chemiker und anderer Wissenschaftler boten selbst im demonstrationsgewohnten Athen ein ungewöhnliches Bild, besonders als die Teilnehmenden ihre Helme und Krawatten an die Bäume vor dem griechischen Parlament hängten. Die Veränderungen im Rentenwesen dienten lediglich offenkundigen finanzpolitischen Zwecken, sagte der Vorsitzende der Athener Anwaltskammer, Vassilis Alexandros, über die "nicht tragfähige Reform". Im Namen aller Demonstrierenden forderte er die Rücknahme der Pläne und forderte "einen von Grund auf neuen, offenen Dialog mit allen Verbänden". Andernfalls stünden sie bereit, ihren Kampf fortzusetzen. Auch Kostas Lourantos, der Vorsitzende des griechischen Apothekerverbandes, bezeichnete die Reformvorlage als "ungerecht, antidemokratisch und schädlich für das Wirtschaftswachstum".
Rentner auf der Straße
Die Rentner/innen selbst misstrauen der Zusage von Arbeitsminister Katrougalos, zumindest die bestehenden Hauptrenten nicht anzutasten Diese Renten sind in dem Land ohne Sozialhilfe und mit hoher Arbeitslosigkeit mittlerweile für hunderttausende Familien die einzige Einkommensquelle. "Wir sind erneut auf der Straße, weil unsere Bezüge zusammengestrichen und die von uns errungenen Rechte mit Füßen getreten wurden", sagte Dimos Koumbouris, der Vorsitzende der bei der größten staatlichen Sozialversicherungskasse IKA Versicherten, auf einer Demonstration aller Rentnervereinigungen am 19. Januar in Athen.