Ausgabe 01/2016
Was nicht passt, wird passend gemacht
Hier entstehen die neuen Games - aber bisher ohne Betriebsrat
"Für mich war es einfach der beste Job, den ich mir vorstellen konnte." Klingt nach dem Traumjob. Doch der Traum war bald ausgeträumt. 28 Beschäftigte beim Onlinespiele-Produzenten Goodgame Studios in Hamburg wollten eine bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Deshalb wollten sie einen Betriebsrat gründen. Was sie stattdessen bekamen, war die Kündigung. Erste Warnungen hatten sie nicht eingeschüchtert. "Das Thema wurde einmal öffentlich angesprochen und das Management reagierte mit Ablehnung und Drohungen: Das hätten wir ja hier nicht nötig, ihr könnt jederzeit gern persönlich zu uns kommen, und schließlich wollten wir ja alle unsere Jobs auch behalten, nicht wahr?", ist aus der Gruppe der Initiatoren zu hören. Weil sie teils auf eine Rücknahme ihrer Kündigung hoffen, wollen sie hier anonym bleiben.
Vor allem sollten sie das auch, seit bekannt ist, wen das Management eingestellt hat, um einen Betriebsrat zu verhindern: die Kanzlei "Schmidt, von der Osten, Huber" aus Essen, die bereits bei Aldi Süd und Nord seit Jahren das Ziel verfolgt, vorhandene Betriebsräte auszuschalten oder eben gar nicht erst welche zum Zuge kommen zu lassen. "Ob schwierige Verhandlungen mit Betriebsräten oder Gewerkschaftsvertretern, Erstellung von Betriebsvereinbarungen und Sozialplänen oder Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen - für Unternehmen begleiten unsere Anwälte den Prozess hin zu einer passgenauen Lösung", werben die Anwälte auf ihrer Website.
Von wegen Gute-Laune-Beauftragte
Seit Forderungen nach einem Betriebsrat im Raum standen, sollten bei Goodgame Studios "Feel-Good-Manager", also Gute-Laune-Beauftragte, Teil einer solchen Lösung sein. Mit wenig Erfolg. "Ich war einfach nicht mehr einverstanden mit der allgemeinen Firmenphilosophie, Wachstum über alles, Imagepflege ist mehr wert als die Bedürfnisse der Angestellten, keine Möglichkeiten für mehr Urlaub, für mehr Gehalt, flexiblere Kernarbeitszeiten, Laptops oder familienfreundlichere Ausrichtung von Arbeitszeiten", sagt eine Stimme aus dem Kreis der Gekündigten.
Deshalb hatten sie bei ver.di nach Unterstützung für eine Betriebsratswahl gefragt. Und diese auch bekommen. Einigen wurde dann wegen angeblicher Leistungsdefizite gekündigt, obwohl ihnen kurz zuvor noch eine gute Arbeit bestätigt worden war. Den anderen wurden betriebliche Gründe genannt, obwohl Goodgame regelmäßig neu einstellt.
Mit insgesamt 1.200 Beschäftigten gilt Goodgame Studios als Marktführer für Onlinespiele in Deutschland. Führend bei der Bezahlung seiner Beschäftigten ist das Unternehmen hingegen nicht: Einem eigenen Pool im Garten, Öko-Frühstück in der Cafeteria und Freibier am Abend stehen eine schlechte Bezahlung, kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld und nur 24 Tage Jahresurlaub gegenüber.
Marktführer, nur nicht bei der Bezahlung
Tatsächlich hat Goodgame bis zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde nicht wenige Beschäftigte mit einem Lohn abgefrühstückt, der noch darunter lag. Mitarbeiter/innen mit Hochschulabschluss in der Spieleentwicklung steigen mit 1.800 Euro brutto ein und verdienen später im Schnitt nicht mehr als 2.400 Euro brutto im Monat. Dabei hat das Unternehmen allein 2015 einen Gewinn von über 30 Millionen Euro gemacht. Dass sich am 19. Januar 2016 von 1.036 Beschäftigten dennoch 580 gegen eine Betriebsratswahl entschieden haben, "bedauern wir", sagt Gabriele Weinrich-Borg, die zuständige Gewerkschaftssekretärin bei ver.di Hamburg. "Aber wir sehen den Beginn einer Diskussion über Mitbestimmung und Gerechtigkeit am Arbeitsplatz in den neuen Onlinebranchen. Ein Stein wurde ins Rollen gebracht."
"Viele sind extrem ängstlich und eingeschüchtert und wünschen sich, dass einfach wieder Ruhe einkehrt", sagt einer der Gekündigten. Wenn er und die anderen ihre Jobs behalten sollten, haben sie immerhin 480 Kolleg/innen auf ihrer Seite, die für einen Betriebsrat gestimmt haben. Darauf können sie bauen, wenn sie gerade nicht an Computerspielen tüfteln. Vorerst kümmern sich um ihre Fälle die Arbeitsgerichte.