Ausgabe 02/2016
Musik
Rokia Traoré: Né So
Kosmopolitische Denke ist kein Privileg westlich sozialisierter Menschen. Für sich selbst reklamieren sie oft genug Weltoffenheit, aber jenseits des westlichen Lebensstandards sollen die Menschen möglichst "authentisch" leben: Baströckchen statt Smartphone. In einer globalisierten Welt ein unverzeihlicher Irrtum! Sängerin Rokia Traoré ist eine der bemerkenswert zahlreichen Künstlerinnen und Künstler aus Mali, die die internationalen Bühnen bevölkern und mit beeindruckender Selbstverständlichkeit spannende Sounds aus Tradition und Moderne schmieden. So markieren Traorés hypnotisch repetitive Songs mit ihrer Verbindung aus westlichen Instrumenten und dem typischen Klang der kleinen westafrikanischen Laute Ngoni treffend die Balance zwischen afrikanischer Tradition und Emanzipation - weibliche mit eingerechnet. Dazu passt natürlich auch, dass Né So (Heimat) gemeinsam mit einer international besetzten Band - unter anderem mit Bassist John Paul Jones - gleich an drei Orten entstanden ist: in Malis Hauptstadt Bamako, in Brüssel und im britischen Bristol. Peter Rixen
CD, Nonesuch / Warner Music
Isolation Berlin: Und aus den Wolken tropft die Zeit
Der einsame junge Mann ist ein beständig wiederkehrendes Motiv in der Popmusik. Auch Tobias Bamborschke schaut unter seinem Existentialistenmützchen hervor wie ein kindlicher Jean-Paul Sartre, und seine Band trägt die Verlorenheit bereits im Bandnamen. "Isolation Berlin" heißt das Berliner Quartett und exakt so klingen auch ihre Songs: grau und kalt, freudlos und schmerzhaft wie der Winter in der Hauptstadt. Bamborschkes Gesang gemahnt bisweilen an den mittleren, nicht mehr so kämpferischen, dandyhaft resignierten Rio Reiser, während seine Band mit karger Monotonie Erinnerungen an Joy Division heraufbeschwört. Mit ihren zwischen Melancholie und Verzweiflung stahlblau schillernden Songs haben Isolation Berlin bereits einiges an Aufmerksamkeit erregt. Nun erscheinen zeitgleich sowohl das Debütalbum Und aus den Wolken tropft die Zeit als auch mit Berliner Schule/Protopop eine Sammlung ihrer bisher auf EPs erschienenen Songs. Insgesamt 23 Lieder, die vor allem auch eins sind: Protest. Dem hedonistischen Party-Taumel, der die Hauptstadt zu beherrschen scheint, stellen Isolation Berlin die Kraft der schlecht gelaunten Verweigerung entgegen. Das wurde auch mal Zeit. Thomas Winkler
CDs, Staatsakt/Universal