Bei Aldi wird vieles umgekrempelt. Die Gewinne beider Discount-Schwestern, die Deutschland in Nord und Süd aufgeteilt haben, sollen weiter sprudeln. Jahr für Jahr sind es zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro. Branchenexperten loben diesen Erfolg gern mit der Formel "Aldi greift an". Zu wenig beachtet wird eine andere Art von Aggressivität. So mag man Betriebsräte bei Aldi Nord nur, wenn sie "auf Linie" sind. Im Süden sind Wahlversuche bereits erstickt worden.

"Was vor's Kinn"

Zuweilen greifen Betriebsratshasser zu sehr unfairen Mitteln: "Wenn du noch mal in unsere Filiale kommst, gibt es was vor ́s Kinn", heißt es in einem Brief ohne Unterschrift, den Uli Kring aus dem nordrhein-westfälischen Bad Laasphe bekommen hat. Er ist Vorsitzender des Betriebsrates in einer von 35 regionalen Gesellschaften, über die Aldi Nord seine Filialen betreibt.

Kring ist kein Einzelfall. Weitere Betriebsräte haben mit Anfeindungen zu kämpfen, weil sie konsequent mitbestimmen wollen. In diesen Fällen handelt es sich nicht um anonyme Angriffe, für die ein Arbeitgeber nur indirekt verantwortlich zu machen ist - weil er das Klima dazu schafft, bei regelmäßigen Filialleitertreffen etwa. In diesen Fällen scheint Erpressung pur angesagt. Einige Geschäftsführer haben offen damit gedroht, das jeweilige Zentrallager werde geschlossen, wenn die Betriebsräte nicht auf Kurs einschwenken. Betroffen wären Fuhrpark und Verwaltung. Auch Filialen würden an benachbarte Aldi-Gesellschaften übertragen. Kein Wunder, dass Unruhe entsteht.

Da die Urheber bekannt sind und auf der Gehaltsliste des Handelsriesen stehen, drängt sich die Frage auf: Wie ernst sind die Probleme, die Aldi mit der Demokratie hat? "Die sind schon immer erheblich gewesen", sagt Manfred Birkhahn, einer der besten Aldi-Kenner in Deutschland. 21 Jahre lang hat das ver.di-Mitglied als Verkäufer bei Aldi Nord gearbeitet. "Wenn sie eine Chance sehen, das Betriebsverfassungsgesetz auszuhebeln, dann versuchen sie es."

Pauschaler Verzicht

Jetzt ist eine Handvoll betrieblicher Interessenvertretungen in die Schusslinie geraten, weil sie von neuen, schlechteren Arbeitsverträgen abraten. Doch Aldi Nord will die Beschäftigten unbedingt zu diesen drängen. Wenn die Mehrheit unterschrieben hat, wird eine elektronische Zeiterfassung eingeführt, lockt der Arbeitgeber. Aber nur dann. Doch auch das neue System ermöglicht Minuten- und Pausenklau. "Der Betrug mit Zettel und Bleistift kann digitalisiert werden", sagt Birkhahn. Eine veränderte Prämien- und Überstundenregelung steht ebenfalls auf dem Plan. Die Betriebsräte sollen eine Betriebsvereinbarung über ein "Neues Arbeitszeit- und Vergütungsmodell" mit zehnjähriger Dauer akzeptieren. Kündigt z.B. der Arbeitgeber die Betriebsvereinbarung, könnten alle "freiwilligen Zulagen" sofort wegfallen.

Aktuell sind es noch fünf Betriebsräte, "die sich nicht erpressen lassen", wie sie sagen. Aldi hingegen will ihren pauschalen Verzicht auf Mitbestimmung bei Mehrarbeit. Innerhalb eines Zeitrahmens von 4 Uhr früh bis 23 Uhr sollen superflexible Einsätze möglich werden. Entscheidend in den neuen Arbeitsverträgen ist die Passage, der Verweis auf die Tarifverträge gelte "nur solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist".

In den meisten Regionalgesellschaften ist die Sache durch, weil die Schließungsdrohungen wirkten oder weil Betriebsratsmehrheiten aus dem Kreis der extrem arbeitgeberfreundlichen "AUB", einer Pseudogewerkschaft, die Vereinbarungen durchgewunken haben.

Seit vielen Jahren betreut der Jurist Dr. Emil Huber, seit 2013 Vorstand einer der maßgeblichen Aldi-Stiftungen, den Aldi-Verwaltungsrat in Essen, wo alle Fäden zusammenlaufen. Dort landete bereits im Dezember 2005 ein von Huber gezeichneter Plan gegen Betriebsräte, der offenbar bis heute wirkt. Die "Aufklärungskampagne gegen den BR" sieht "heftige Diskussionen", sprich Pöbeleien von Filialleitern gegen den Betriebsrat, das Schüren von Ängsten um Einkommen und Jobs, Rundschreiben, Unterschriftenaktionen sowie Wahlunterstützung für die "AUB" vor. Damals ging es gezielt gegen den Schwelmer Betriebsrat, der heute - ebenso wie die Betriebsräte in Bad Laasphe, Horst, Rinteln und Werl - erneut im Fadenkreuz steht und Widerstand zeigt.

Hintergrund: handel.verdi.de/unternehmen/a-c/aldi