Ausgabe 04/2016
Kurze Vollzeit für alle - mehr Zeit für mich
"Wir brauchen eine spürbare Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverzicht und mit Personalausgleich zur fairen Umverteilung des Arbeitszeitvolumens unter den Geschlechtern." Karin Schwendler, ver.di-Bundesfrauensekretärin, kennt den Weg zu einer gerechteren Arbeitszeitverteilung zwischen Mann und Frau. Bei der Arbeitszeitkonferenz des Landesbezirksvorstands Niedersachsen-Bremen und des Landesbezirksfrauenrats erläuterte die Leiterin der Abteilung Frauen- und Gleichstellungspolitik ihr Konzept.
"Arbeitszeit, die zu mir passt" - unter diesem Motto diskutierten Frauen und Männer Modelle einer flexiblen Arbeitszeit- gestaltung, die mehr als bisher an individuellen Lebensphasen und an Bedürfnissen orientiert sein soll. Den Forderungen der Arbeitgeber nach immer mehr Flexibilisierung in Betrieben und Verwaltungen will ver.di Mitbestimmungsmodelle entgegensetzen: für mehr Planbarkeit, für den Schutz geregelter Freizeit und freier Wochenenden und gegen die weitere Entgrenzung der täglichen Arbeit.
Die zentrale politische Forderung lautet daher: "Kurze Vollzeit für alle - mehr Zeit für mich!" Soziale Gerechtigkeit sei nur zu erreichen, wenn neben einer Umverteilung von Reichtum auch die bezahlte Arbeit zwischen den Geschlechtern gerechter verteilt werde: auch zwischen denen, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten oder erwerbslos sind, und denen, die aufgrund permanenter Überstunden und Arbeitsverdichtung krank werden. Dies sei eine Voraussetzung, unbezahlte, immer noch zu großen Teilen von Frauen geleistete Reproduktions- und Sorgearbeit in den Familien gerechter zu organisieren.
"Wir müssen bei den unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten der Menschen ansetzen und die unterschiedlichen Interessen von Geschlechtern und Generationen berücksichtigen", erklärt auch Susanne Kremer, stellvertretende ver.di-Landesleiterin. Ein erster Schritt für ver.di ist dabei eine 14-tägige Auszeit für alle Voll- und Teilzeitbeschäftigten pro Jahr - zur freien Verfügung und bei vollem Lohnausgleich. Diese Verfügungszeit soll von den Beschäftigten in ganzen freien Tagen, inFreizeitblöcken oder in Kombination mit Feiertagen, zur wöchentlichen Reduzierung der Arbeitszeit oder als Ansparmodell auf Arbeitszeitkonten eingeplant werden können.
"Unsere Forderung eröffnet eine arbeitszeitpolitische Perspektive für alle ver.di-Branchen, die Umsetzung kann differenziert erfolgen", sagt Karin Schwendler. Aber sie weiß auch: "Hier ist noch eine Menge Vermittlungsarbeit zu leisten, auch in unseren Tarifkommissionen."