Die Wirtschaft soll wachsen, aber Fachkräfte fehlen, da kommt in Deutschland schnell die Forderung nach längeren Arbeitszeiten auf. Für die Beschäftigten ist das problematisch, weil sie bereits in hohem Maße mehr und länger arbeiten, zudem oftmals unentgeltlich. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des DGB-Index zu Überstunden.

Mehr als 31.000 Arbeitnehmer*innen haben von 2020 bis 2024 umfassend Auskunft über ihre Arbeitszeiten und -bedingungen gegeben. Dabei kam heraus, dass das Volumen der Überstunden zwar zurückging, aber noch immer auf einem hohen Niveau liegt. Zudem wurden in den vergangenen 20 Jahren deutlich mehr unbezahlte Überstunden geleistet. 53,6 Prozent aller Überstunden wurden 2024 nicht vergütet. Das senkt den effektiven Lohn der Beschäftigten.

Jede*r vierte Vollzeitbeschäftigte leistet mehr als fünf Überstunden pro Woche. Für jede*n zehnte*n Vollzeitbeschäftigte*n verlängert sich die Arbeitszeit aufgrund von Überstunden auf mehr als 48 Stunden pro Woche und geht damit in den gesundheitsgefährdenden Bereich. In Summe haben Arbeitnehmer*innen in Deutschland im Jahr 2024 Überstunden in einem Umfang geleistet, der mehr als 750.000 Vollzeitstellen entspricht. Im "Homeoffice" neigt man eher dazu, Überstunden zu machen.

Auch das kam heraus: Je stärker die Arbeitsverdichtung und der Arbeitsdruck sind, umso mehr Überstunden werden geleistet. Vor allem häufen sich Überstunden bei Beschäftigten, die von Defiziten bei der Organisation und Ausführung ihrer Arbeit berichten. Je häufiger widersprüchliche Arbeitsanforderungen sowie Störungen und Unterbrechungen auftreten, desto mehr Überstunden werden gemacht. Und je mehr Überstunden geleistet werden, desto öfter berichten Beschäftigte davon, dass sie Abstriche bei der Qualität der Arbeitsausführung machen müssen.

Ein weiteres Ergebnis: Fachkräfte machen eher Überstunden als Angelernte. Je höher die geforderten Qualifikationen, desto häufiger werden Überstunden geleistet. Wer angesichts dieser Zahlen noch längere Arbeitszeiten fordert, muss wissen, weniger wäre mehr: Weniger Überstunden sind besser für die Gesundheit, für die Work-Life-Balance, die Motivation und für das Arbeitsergebnis.

Marion Lühring