Ausgabe 05/2016
Verstoß gegen die Verfassung
Anti-TTIP und -CETA-Demonstration in Hannovers Stadtmitte
Im Herbst soll das umstrittene Handelsabkommen "Ceta" zwischen der Euro- päischen Union (EU) und Kanada beschlossen werden. Die Vereinte Dienstleistungsgerkschaft ver.di kritisiert das geplante Abkommen wie auch das geplante transatlantische Freihandelsabkommen "TTIP" mit den USA in mehreren Kernpunkten und fordert die Abgeordneten von Länderparlamenten und Bundestag auf, dagegen aktiv zu werden.
Ein gesonderter Investorenschutz bei gleichzeitigem Abbau von Arbeitnehmerrechten, Schwächung von demokratischen Grundrechten und Umweltstandards. Das sind für die Kritiker/innen die entscheidenden Punkte beim Handelsabkommen "Comprehensive economic and trade agreement" (Ceta), die sie nicht akzeptieren wollen. Bei einer Podiumsdiskussion von Friedrich-Ebert-Stiftung, ver.di-Bildungswerk und ver.di Niedersachsen stand "Ceta" ebenfalls in der Kritik.
Für Werner Rügemer, Dozent an der Universität Köln und Publizist, fehlen in dem mittlerweile fertig verhandelten Abkommen wichtige Arbeitnehmerrechte der Internationalen Arbeitsorganisation ILO: die Kernarbeitsnormen "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Mann und Frau", Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub, Recht auf Pausen sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz. Das "Ceta"-Kapitel über das Arbeitsrecht sei "eine trickreiche Täuschung" mit unbestimmt und weich formulierten Mindestsozialstandards, so Rügemer: wertlos, weil rechtlich nicht einklagbar.
Warum Sonderrechte?
Die Vereinigung Demokratischer Juristen (VDJ) sieht sogar Grundrechte verletzt. Michael Eule, ehemaliger Senatsrat und VDJ-Mitglied, kritisiert das bei "Ceta" geplante Schiedsgericht für ausländische Investoren mit Sitz in Kanada. Investoren könnten bei vermeintlicher Verletzung ihrer Rechte beziehungsweise Gewinnerwartung durch nationale Gesetzgebung den betreffenden EU-Staat auf Schadensersatz verklagen. Damit aber würden die Regelungsmöglichkeiten für nationale Gesetzgeber, Landesparlamente und Kommunen undemokratisch eingeschränkt. Zudem könnten sich Schadensersatzansprüche auch auf das Gesundheitswesen und die Sozialversicherung beziehen. Schon wegen der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz müsse die Bundesregierung "Ceta" ablehnen, so Michael Eule.
Vor diesem Hintergrund haben der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) und der Kanadische Gewerkschaftsbund (CLC) Änderungen beim "Ceta"-Abkommen gefordert. Sie sehen keinen Grund für Investoren-Sonderrechte, zumal diese Privilegien im krassen Gegensatz zu den schwachen Arbeitnehmerrechten stünden. Denn für die abhängig Beschäftigten seien keinerlei Klagerechte oder Sanktionsmöglichkeiten vor- gesehen, wenn gegen Arbeitsrechtsstandards verstoßen würde.
Der Protest gegen Ceta und TTIP wächst unterdessen weiter an. Zahlreiche Organisationen, darunter ver.di, rufen für den 17. September zu Großdemonstrationen in sieben Städten auf. Die Mitglieder des ver.di Landesbezirks Niedersachsen-Bremen fahren nach Hamburg.