Ausgabe 05/2016
Wider die Genies
Petra Welzel ist Redakteurin der ver.di publik
"Ein Problem ohne Befund ist nie ein guter Grund", reimte Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, als Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, SPD, Mitte Juni ihr geplantes "Gesetz für gerechten Lohn" vorstellte. Die 21 Prozent Lohnlücke zwischen Frauen und Männern existiere nicht wirklich, sagte Hüther. Frauen arbeiteten eben in den schlechter bezahlten Branchen und in Teilzeit, und die dann noch verbleibenden 6,6 Prozent Lücke seien ja nun wahrlich kein ernstzunehmendes Problem. Hüther würde sicher auch den Ende Juni erschienenen Befund zur Lage in der Kultur kleinreden. Erstmals stellte eine Studie des Deutschen Kulturrates fest, dass die Lohnungleichheit unter den Kulturschaffenden noch etwas größer ist: Bei ihnen liegt der Lohnunterschied bei 24 Prozent, Schauspielerinnen verdienen gar 33 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen.
Folgt frau der Logik Hüthers, sind die Frauen selbstverschuldet ins Hintertreffen geraten, also sollen sie doch selbst zusehen, wie sie da wieder herausgeraten. Männer wie Hüther übergehen allerdings einfach, dass es zwischen den Geschlechtern noch nie eine Lohngleichheit gegeben hat. Und gerade der Kulturbereich zeigt das exemplarisch. Frauen waren über Jahrhunderte von ihm ausgeschlossen und mussten entweder in Beinkleidern auftreten oder unter einem männlichen Pseudonym arbeiten. Als sie schließlich mit ihren Werken ins Rampenlicht traten, wurden sie als Dilettantinnen abgetan und schlecht honoriert, Genies gab und gibt es eben nur unter den männlichen Künstlern.
Nicht viel anders ist es in anderen Berufen gelaufen. Sobald Frauen in sie vordrangen, ganze Bereiche wie die Krankenpflege mehrheitlich besetzten, wurden diese Berufe finanziell abgewertet. Das Problem ist also ein alter Hut und der Befund bis heute von Bestand. Vielleicht hilft am Ende doch nur ein Frauenstreik. Zuletzt haben eine halbe Million Schweizerinnen ihre Arbeit niedergelegt, 1991. Ihr Motto: "Wenn frau es will, steht alles still."