Ausgabe 06/2016
Konkret wird das Leben in der Kommune gestaltet
Militärbischof Sigurd Rink
Öffentliche Daseinsvorsorge ist ein zentrales Thema für ver.di - vom Wasser über den Strom, den Müll, das Bahnfahren, die Kinderbetreuung und Bildung, die Gesundheit bis hin zum Wohnungsbau. Denn Gewerkschaftsmitglieder setzen als öffentliche Dienstleister/innen das um, was die Politik entscheidet. Andere Gewerkschaftsmitglieder sind als Bürger/innen von kommunalpolitischen Entscheidungen betroffen. Anlass für ver.di Hessen, in eine tiefere Diskussion einzusteigen. Die Veranstaltungsreihe "Vorsorgende Kommune" soll die Debatte mit sieben Diskussionsforen in verschiedenen hessischen Städten anstoßen. Der Auftakt war am 11. Juli in Wiesbaden. Das Thema: "Flüchtlingen Perspektiven bieten".
Start in Wiesbaden
Referent war der evangelische Militärbischof Sigurd Rink. Es wurde schnell klar, dass es zwischen der Evangelischen Kirche und ver.di bei diesem Thema viele Gemeinsamkeiten gibt. Beiden liegt das Flüchtlingsthema am Herzen, beiden ist es auch ein Anliegen, Kommunen stabil und handlungsfähig zu halten. Denn sie leisten die Hauptarbeit beim Betreuen der Geflüchteten. Dafür sollten sie so gut wie möglich ausgestattet werden - materiell wie strukturell. Bischof Sigurd Rink: "Unsere Willkommenskultur muss münden in eine Willkommensstruktur. Wir stellen uns vor, dass aus den unterschiedlichsten Kulturen Menschen zusammenkommen und in einer Kommune wohnen, und sie schaffen es, friedlich zusammen zu leben."
Dazu gehöre es, beginnend bei den Kindertagesstätten, gute Integrationsbedingungen zu bieten. Scheinbar kleine Geschehnisse in der Kommune hängen mit der Bundes- und sogar der internationalen Politik zusammen. Zum Beispiel der Nationale Aktionsplan Integration, der die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen erleichtern soll.
Es gehe der Kirche aber nicht nur darum, wie Integration vor Ort geleistet werde, sondern auch darum, wie der Not und dem Elend von Flüchtenden vorgebeugt werden kann, betonte Bischof Renk. Fluchtursachen müssten beseitigt werden. Dazu zählt er totalitäre Regime, die wachsende globale Ungerechtigkeit sowie Waffenexporte, die zu Gewalt und Kriegen führten, vor denen die Menschen dann flüchten.
Ein kleiner Teil der weltweit 60 Millionen Geflüchteten, nämlich eine Million Menschen, ist in Deutschland angekommen. Kirchen wie Gewerkschaften wollen die Herausforderung meistern, sie gut in die Gesellschaft zu integrieren. Aus dem Publikum kam die Kritik, dass der Staat sich bei dieser Arbeit viel zu sehr auf das Ehrenamt verlasse. Einige KommunalpolitikerInnen schilderten außerdem, dass ihren Beobachtungen zufolge insbesondere die sozial abgehängten Einheimischen den Flüchtlingen gegenüber skeptisch bis feindlich eingestellt sind. Das steigere sich, wenn das Gemeindehaus, in dem Bedürftige wohnten, geräumt werde und Flüchtlinge einzögen.
Über Steuern reden
Weiter wurde kritisiert, die Kommunen verwendeten mehr Ehrgeiz darauf, ihre Haushalte zu konsolidieren, als darauf, ihre Aufgaben zu erledigen. ver.di-Landesbezirksleiter Jürgen Bothner: "Es ist paradox: Wir hatten noch nie so viel Geld wie heute, aber noch nie so wenig Geld beim Staat. Deswegen zeigt sich das Problem jetzt am Flüchtlingsthema. Für uns heißt vorsorgende Kommune, über Steuern und Staatsverständnis zu reden."
Die nächste Veranstaltung in der Reihe Vorsorgende Kommune ist für den 26.September in Darmstadt geplant. Thema: Der Öffentliche Personennahverkehr.