Kaffee und Schnäppchen: Jede Woche bietet Deutschlands größter Kaffeeröster Tchibo ein neues, buntes Sortiment zum Verkauf, das von Klassik-CDs über Jogginghosen bis zu Kinderspielzeug reicht. Die Artikel lässt der Handelskonzern in Schwellen- und Entwicklungsländern fertigen, häufig unter schlechten Arbeits- und Umweltbedingungen. Zuletzt haben Recherchen der Sendung ARD-Markencheck in chinesischen Zulieferfabriken fehlende Arbeitsschutzmaßnahmen aufgedeckt.

Um derartige Schlagzeilen in Zukunft zu vermeiden, hat Tchibo im September als erstes deutsches Handelsunternehmen eine Rahmenvereinbarung mit dem internationalen Gewerkschaftsverband IndustriALL Global Union unterzeichnet. Verabredet wurde eine Zusammenarbeit bei der Durchsetzung der Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in den rund 700 Zulieferbetrieben für Gebrauchswaren weltweit.

Mit Hilfe des Abkommens sollen die Beschäftigten wie auch die zuständigen Gewerkschaften darin gestärkt werden, existenzsichernde Löhne, eindeutige Arbeitszeitregelungen und Arbeitsschutzmaßnahmen in den Betrieben und branchenweit auszuhandeln.

"Dieses Abkommen ist ein Versuch, die Globalisierung der Wirtschaftsbeziehungen sozialer zu gestalten", sagt Uwe Wötzel, der ver.di in der Kampagne für Saubere Kleidung vertritt, einer internationalen Kampagne für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. Es gehe darum, Solidarität entlang der weltweiten Wertschöpfungskette zu entwickeln. In dem Abkommen werden Standards wie existenzsichernde Löhne festgeschrieben - unabhängig davon, ob sie in dem jeweiligen Staat gelten. "Damit haben die Beschäftigten ein Werkzeug, um ihre Rechte einzufordern", sagt Christina Hajagos-Clausen, bei der IndustriALL zuständig für die Textilindustrie.

Jetzt müssen Taten folgen

"Wir haben die Erfahrung gemacht, dass von einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit alle Seiten profitieren", erklärt Nanda Bergstein, die bei Tchibo den Geschäftsbereich Lieferantenbeziehungen und Nachhaltigkeit leitet. Seit zehn Jahren beschäftigt sich der Konzern mit dem Thema Unternehmensverantwortung als Reaktion auf die Arbeitsrechtsverletzungen in Produktionsstätten in Bangladesch - angeprangert von der Kampagne für Saubere Kleidung. "Kontrollen in den Produktionsstätten allein führen nicht zu Verbesserungen der Arbeitsbedingungen", sagt Bergstein. Deshalb hat Tchibo ein Dialog- und Trainingsprogramm entwickelt, in dem das Unternehmen in seinen Zulieferbetrieben mit Management und Beschäftigten Sozialpartnerschaften aufbaut und die Durchsetzung von Arbeitsrechten unterstützt. Durch das Rahmenabkommen sollen nun auch über die IndustriALL lokale Gewerkschaften mit an den Tisch geholt und in der Verhandlungsführung geschult werden. "Dafür ist Gewerkschaftsfreiheit eine wesentliche Voraussetzung", so Bergstein. "Das möchten wir künftig stärker unterstützen."

Gisela Burckhardt von FEMNET, Mitglied der Kampagne für Saubere Kleidung, begrüßt das Abkommen, warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen. "Jetzt müssen auf beiden Seiten konkrete Taten folgen", sagt Burckhardt. Anders als in Europa seien noch nicht alle südost- asiatischen Gewerkschaften starke und unabhängige Partner. "Hier wartet auf IndustriALL sehr viel Arbeit."

Nach Verträgen mit Inditex (Zara), H&M und Mizuno ist das Abkommen mit Tchibo das vierte Globale Rahmenabkommen in der Textilindustrie. "Dadurch wird Druck auf die gesamte Zulieferkette ausgeübt", hofft Uwe Wötzel von ver.di, räumt aber auch ein: "Es gibt keine Insellösung. Wir brauchen eine Reihe von marktrelevanten Unternehmen, die dem Beispiel folgen." Schließlich sind es die ausländischen Einkäufer, die den Preis- und Termindruck ausüben, der sich auf die Arbeitsbedingungen auswirkt. "Tchibo könnte für die deutsche Textilindustrie eine Vorreiterrolle spielen", so Wötzel. Er fordert: "Der Gesetzgeber muss Unternehmen verpflichten, innerhalb der Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen." Michaela Ludwig