Mobile Welten

Wir tragen Klamotten "Made in Bangladesh". Das ist nicht zu übersehen, wenn wir einen Blick auf die Kleidungsetiketten werfen. Außerdem vergeht seit Jahren kaum noch ein Monat, in dem nicht erneut über die hundsmiserablen Arbeitsbedingungen berichtet wird, unter denen viele unserer Lieblingsstücke produziert werden. Aber noch viel mehr solcher Dinge in unserem Alltag haben oft einen langen Weg hinter sich, bis sie aus fernen Ländern bei uns im Gebrauch gelandet sind. Unter dem etwas sperrigen Titel "Mobile Welten. Zur Migration der Dinge in transkulturellen Gesellschaften" haben sich das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, die Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt/Main und die Erich-Kästner-Schule in Hamburg-Farmsen vorgenommen, die vielschichtigen Zusammenhänge von Gegenständen und Lebenswelten durch Migration zu entflechten und anschließend zu zeigen.

Seit dem 6. Oktober haben sich Schüler/innen der Erich-Kästner-Schule daran gemacht, zum einen die Ausstellungsobjekte des Museums auf ihren migrantischen Hintergrund hin neu einzuordnen. Aber auch ihre eigene Lebenswelt, das Klassenzimmer, den Schulweg, die Einkaufsmeile nehmen sie so unter die Lupe. Daraus erwachsen ist eine eher ungewöhnliche Ausstellung. Was man heute noch dort gesehen hat, kann morgen schon nicht mehr an Ort und Stelle sein, weil es einer anderen Ordnung Platz machen musste. Der Titel der Ausstellung "Mobile Welten" bezieht sich somit auch auf die Ausstellung selbst. Auch sie ist nun ständig in Bewegung. Auslagen, Dekorationen in Geschäften, nichts anderes als Ausstellungen im Alltag, verändern sich ständig, passen sich der Nachfrage an. Das soll nun auch das Museum von heute leisten.

Und da ist es vor allem auch naheliegend, auf das andere zu blicken. Seit jeher ist der Mensch an neuen Dingen interessiert gewesen. In den frühen Kunst- und Kuriositätenkammern wurde gesammelt, was aus anderen Regionen und Ländern zu bekommen war. Und so verhält es sich bis heute. Menschen, die nach Deutschland kommen, bringen oft ihr eigenes Geschirr mit, was dann zum Beispiel zunächst seinen Weg in ein Restaurant mit nordafrikanischer Küche findet, einen Trend setzt und später dann auch in einem Geschäft mit Haushaltswaren zu erwerben ist. Das Museum in Hamburg stellt jetzt Dinge wie persische Töpferware, die chinesisches Porzellan imitiert, ungewöhnliche Instrumente oder Hindu-Altäre in Gelsenkirchener Barock zur Neuordnung und Neueinordnung zur Verfügung. Dass Gesellschaften meist keinerlei Probleme mit Dingen mit Migrationshintergrund haben, aber leider immer wieder mit Menschen mit Migrationshintergrund, zeigt diese sich wandelnde Ausstellung wunderbar. Es ist geradezu erhellend, den Dingen im wahrsten Sinn der Worte einfach mal auf den Grund zu gehen. Petra Welzel

Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, Steintorplatz, bis 2018, Di-So 10-18 Uhr, Do bis 21 Uhr


Ulay Life-Sized

Ulay, alias Frank Uwe Laysiepen, am 30. November 1943 in Solingen geboren, teilt das Schicksal vieler Künstler/innen. Zeit seines Lebens hat es irgendwie nie für den großen Durchbruch gereicht. Erst jetzt, in seinem 72. Lebensjahr, richtet ihm die Schirn Kunsthalle Frankfurt seine erste große Einzelausstellung aus. Dabei ist er all die Jahre nicht erfolglos gewesen. Aber viele Jahre hat er im Schatten seiner langjährigen, viel bekannteren Lebensgefährtin, der Performancekünstlerin Marina Abramović gestanden. Wie sie hat auch er sein ganzes Schaffen dem Körper und seiner Umwandlung, der Transformation in andere Zustände gewidmet. Sein Medium ist hauptsächlich die Fotografie, zusammen mit Abramović aber auch immer wieder die Performance, die Kunst, den eigenen Körper über einen begrenzten und vergänglichen Zeitraum einzusetzen. Teils bis zur Auflösung des Körpers hat er seine Fotoserien getrieben, hat zuletzt den eigenen Verfall nach der Diagnose Krebs thematisiert. Wer Ulay bisher noch nicht kannte, kann ihn jetzt in voller Lebensgröße entdecken. Petra Welzel

Schirn Kunsthalle Frankfurt, Römerberg, bis 8.1.2017, Di-So 10-19, Mi/Do bis 22 Uhr


bilderstrom: Der Rhein und die Fotografie

Auf 1.230 Kilometern zieht sich der Rhein durch mehrere europäische Länder und hat bereits mit Beginn der Fotografie viele Kameralinsen auf sich und sein Leben gezogen. In dieser Ausstellung sind 260 Fotografien von 1853 bis 2016 zusammengetragen worden, die einen Fokus auf den Rhein als Arbeitsplatz, als national umkämpfte Grenzlinie, Sehnsuchtslandschaft, ökologisch bedrohtes Biotop, tagestouristisches Ausflugsziel und einiges mehr richten. Es sind dokumentarische Fotografien, aber auch künstlerisch inszenierte und inspirierte Bilder, die viel darüber aussagen, wie zu verschiedenen Zeiten auf einen der größten Ströme Europas geblickt wurde und mit welchen Absichten. Es kommt einem Augenschmaus gleich, wenn man Senior/innen beim Schoppen Wein mit Fokus auf den Weinkühler betrachtet oder von oben aus der Vogelperspektive nur ihre Füße auf dem Oberdeck und darüber das fließende graublaue Wasser des Rheins sieht. Daneben stehen rein dokumentarische Fotografien, die nicht weniger interessant sind. Kurzum: In jedem Fall nicht nur eine Ausstellung für Anrainer. Petra Welzel

LVR-Landesmuseum Bonn, Colmantstr. 14-16, bis 22. Januar 2017, Di-So 11-18 Uhr, Sa 13-18 Uhr