Ausgabe 08/2016
Das globale Gut von morgen
Aldi Nord und Aldi Süd sind nicht nur für Supermarktware aus dem Karton bekannt, immer öfter geraten die Discounter-Könige im deutschen Handel auch mit Berichten über Schnäppchenlöhne für neue Beschäftigte in die Schlagzeilen. Ihren Ruf versuchen die beiden Ketten deshalb womöglich durch ihre Mitgliedschaft im Bündnis für nachhaltige Textilien zu polieren. Ziel des deutschen Textilbündnisses ist es, mehr Nachhaltigkeit in der Textil-Lieferkette zu erreichen, unter anderem durch existenzsichernde Löhne und besseren Arbeitsschutz in den produzierenden Ländern.
Wie nachhaltig Textilien, die in Deutschland verkauft werden, in Zukunft tatsächlich sein werden, ist nach zwei Jahren, die das Bündnis schon hält, noch offen. Aber es ist inzwischen ordentlich gewachsen. Auf Initiative von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, CSU, und verschiedenen Nichtregierungsorganisationen im Oktober 2014 gegründet, ist das Bündnis auf 188 Mitglieder aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft angewachsen, darunter allein 133 Unternehmen aus dem Textilhandel.
Maßstäbe setzen
Als sich das Bündnis Ende November zur Mitgliederversammlung traf, sagte der Entwicklungsminister: „Das Bündnis will, dass es den Menschen in den Produktionsländern besser geht. Damit setzt es Maßstäbe, auch für andere Sektoren. Unser Ziel muss sein, dass jedes globale Gut, das in Deutschland auf den Markt kommt, nach Standards hergestellt wird, die sozial gerecht und ökologisch nachhaltig sind.“
Das Ziel ist hoch gesteckt, konnten sich die Mitglieder nach zwei Jahren zunächst einmal doch nur darauf verständigen, dass alle Mitglieder bis zum 31. Januar 2017 über den jeweils eigenen Stand der Arbeit für mehr Nachhaltigkeit berichten werden. Die Stände dürften noch sehr unterschiedlich sein. Immerhin: Die Bundesregierung hat sich selbst eine Zielmarke gesetzt. „Mit der öffentlichen Beschaffung stehen wir selbst in der Verantwortung. Unser Ziel bis 2020 ist es“, so Müller, „dass Bundesbehörden die Hälfte aller Textilien nach ökologischen und sozialen Kriterien beschaffen”.
Ende Januar 2017 soll zunächst festgestellt werden, inwieweit bei der Umsetzung von Sozialstandards, bei nachhaltigen Naturfasern und beim Einsatz von Chemikalien noch nachgebessert werden muss. Das soll dann ab dem kommenden Jahr Schritt für Schritt umgesetzt werden. Berndt Hinzmann, Steuerungsmitglied für die Zivilgesellschaft im Textilbündnis, sagte auf der Mitgliederversammlung: „Wesentlich ist, welche Verbesserungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Textilindustrie erreicht werden. Daran muss sich das Bündnis messen lassen.“ Seriöse Aussagen zum Erfolg des Bündnisses ließen sich erst nach einer unabhängigen Verifizierung frühestens Anfang 2018 machen.
Spürbare Veränderungen auf dem deutschen Textilmarkt gibt es bis dato noch nicht. Das zumindest stellt der Verein TransFair fest, der von Beginn an Mitglied im Bündnis ist. Null Komma null, sagte Dieter Overath, der Vereinsvorsitzende in einem Interview nach der Versammlung. Welche Zahl einmal vor dem Komma steht, wird auch von Mitgliedern wie Aldi Nord und Süd abhängen. Für lau, ihrem Geschäftsmodell folgend, ist Nachhaltigkeit nicht zu haben. Petra Welzel