ver.di publik - In der aktuellen Tarifrunde für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder hat ver.di den Arbeitgebern eine Forderung im Gesamtvolumen von 6 Prozent vorgelegt. Viel zu viel, sagen die Arbeitgeber, was entgegnet ver.di?

WOLFGANG PIEPER - Wir entgegnen, dass wir eine stabile wirtschaftliche Lage und eine wirtschaftliche Entwicklung haben, die vom privaten Konsum getragen wird. Anders als in den letzten Jahren treibt nicht der Export, sondern der private Konsum die Wirtschaft - und für den privaten Konsum ist es wichtig, dass wir eine entsprechende Lohnentwicklung haben. Im Januar lag die Inflationsrate bei 1,9 Prozent, die Lebensmittelpreise sind dabei um 3,2 Prozent und die Energiepreise sogar um 5,8 Prozent angestiegen. Wir können daher für 2017 insgesamt mit einer Inflationsrate von rund 2 Prozent für 2017 rechnen. Und: Der öffentliche Dienst hat gegenüber der Tariflohnentwicklung in der Gesamtwirtschaft noch einen Rückstand. Wir wollen in dieser Tarifrunde - natürlich auch wegen der sprudelnden Steuereinnahmen - wieder Anschluss finden an die Entwicklung der Gesamtwirtschaft.

ver.di publik - Wie hoch ist der Rückstand?

PIEPER - Das sind im Schnitt gut 4 Prozent. Nimmt man das Jahr 2000 als Grundlage, sind die Tarifvergütungen im öffentlichen Dienst der Länder um 40,6 Prozent gestiegen, in der Gesamtwirtschaft dagegen um 44,8 Prozent. In einzelnen Branchen der Privatwirtschaft waren es sogar über 50 Prozent, zum Beispiel 51,9 Prozent in der Metallindustrie.

ver.di publik - Neben einer besseren Bezahlung will ver.di den Ausschluss sachgrundloser Befristung von Arbeitsverträgen tariflich festlegen. Wie viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder sind von Befristung ohne sachlichen Grund betroffen? Kann man das überblicken?

PIEPER - Die Länder sind der Bereich, der die meisten befristeten Arbeitsverhältnisse hat. Im Wissenschaftsbereich ist der Anteil der befristeten Verträge besonders hoch. Aber selbst wenn man diese Beschäftigten herausrechnet, ergibt sich noch ein Befristungsanteil im öffentlichen Dienst der Länder, der wesentlich höher ist als bei den Kommunen und beim Bund. Entscheidend für uns ist aber, dass der öffentliche Dienst insgesamt bei seinen Neueinstellungen fast 60 Prozent der Verträge befristet. 59,5 Prozent aller neu Eingestellten im öffentlichen Dienst haben befristete Arbeitsverträge. Das ist extrem hoch. Daher sind wir der Meinung, dass hier ein Missbrauch der sachgrundlosen Befristung vorliegt. Es geht darum, Probezeiten zu verlängern, auszutesten, wie die Beschäftigten sich in der Arbeit anstellen und darum, Kostenrisiken auf Beschäftigte zu verlagern, wenn gegebenenfalls der Arbeitsvertrag nicht verlängert werden muss. Wir glauben, dass es längst an der Zeit ist, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst mehr Sicherheit zu geben. Stabile Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst, die sachgrundlose Befristung ausschließen, tragen auch zur Qualität der Arbeit bei.

ver.di publik - Wie gut sind die Chancen, derartige Befristungen tatsächlich tarifvertraglich auszuschließen?

PIEPER - Wir haben dieses Thema bereits 2016 in der Tarifrunde mit Bund und Kommunen diskutiert. Die Arbeitgeber haben das abgelehnt. Insbesondere der Bund hat das vehement zurückgewiesen. Wir wissen, dass der Bund in den Dienststellen, in denen Arbeit mit Geflüchteten zu leisten ist, einen großen Personalaufbau geleistet und viele befristete Verträge abgeschlossen hat. Das heißt, der Bund hatte seinerzeit ein besonderes Interesse, dass die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung nicht eingeschränkt wird. Nach dem gleichen Prinzip: Man verlängert Probezeiten und will freie Hand haben, Verträge nach einer bestimmten Zeit auslaufen zu lassen. Es wird nicht einfach, aber wir wollen versuchen, in dieser Tarifrunde mit den Ländern zu einer Einigung zu kommen. Es gibt auch Länder, die schon entsprechende Vereinbarungen einhalten - wie etwa Hamburg oder Bremen - und keine sachgrundlos befristeten Verträge mehr abschließen. Also gibt es durchaus Ansätze, in diese Richtung zu gehen.

ver.di publik - Ausdrücklich fordert ver.di auch, die Übernahme der Auszubildenden nach Abschluss der Ausbildung zu garantieren. Wie sieht es derzeit damit aus? Wie viele Auszubildende gehen leer aus?

PIEPER - In den Bereichen, in denen der öffentliche Dienst über den Bedarf hinaus ausbildet, werden die Auszubildenden nicht übernommen. Insgesamt gibt es aber Fachkräftebedarf, die Arbeitgeber müssten daher ein Interesse haben, die Auszubildenden im Anschluss an die Ausbildung zu übernehmen. Wir haben in den vergangenen Jahren jeweils eine tarifliche Vereinbarung getroffen. Die läuft automatisch aus, wir wollen sie verlängern - und wir gehen davon aus, dass wir das in dieser Tarifrunde auch erreichen werden.

ver.di publik - Es soll auch eine höhere Ausbildungsvergütung geben.

PIEPER - Wir wollen für die Auszubildenden eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 90 Euro und einen Lernmittelzuschuss von 50 Euro. Es geht darum, Ausbildungsvergütungen zu vereinbaren, die attraktiv sind und auch dazu führen, dass der öffentliche Dienst auf dem Auszubildenden-Markt Chancen hat, junge Menschen zu gewinnen. Und die Ausbildungsvergütungen liegen hinter vergleichbaren Ausbildungsberufen in der Privatwirtschaft noch zurück, sodass es aus unserer Sicht völlig gerechtfertigt ist, hier Anhebungen vorzusehen. Wir haben zudem das Problem, dass es inzwischen eine Vielzahl von Ausbildungsgängen gibt, die nicht unter die Tarifverträge fallen. Das sind die Auszubildenden in den Gesundheitsberufen, die in Kliniken ausgebildet werden. Wir möchten erreichen, dass diese Beschäftigten, zum Beispiel Physiotherapeuten, operationstechnische Angestellte oder Notfallsanitäter in den Geltungsbereich der Tarifverträge einbezogen werden und ebenfalls eine Ausbildungsvergütung und entsprechende Regelungen für ihre Ausbildung erhalten.

ver.di publik - Dann gibt es noch eine Gruppe, die Beamtinnen und Beamten. Die blicken auch gespannt auf diese Tarifrunde, denn ver.di möchte, dass das Ergebnis, das in dieser Runde erzielt wird, zügig auf die Beamtenbesoldung übertragen wird. Wie stark sind die Beamtinnen und Beamten einbezogen in diese Runde?

PIEPER - Wir haben inzwischen von Bundesland zu Bundesland große Unterschiede in der Besoldung. Denn jedes Bundesland entscheidet für sich, ob und in welchem Maße die Besoldung steigen soll. Das hat in den letzten zehn Jahren zu einer gewaltigen Spanne geführt: Ein Feuerwehrmann in Bayern bekommt circa 12 Prozent mehr Besoldung als ein Feuerwehrmann in Berlin. Das führt in einen Wettbewerb der Länder um Fachkräfte. Und das ist keine gute Entwicklung. Es geht doch darum, dass der öffentliche Dienst genügend qualifizierte Fachkräfte gewinnen kann und ausbildet. Damit er den Bürgerinnen und Bürgern seine Dienstleistungen auch qualitativ hochwertig anbieten kann. Deshalb wollen wir, dass das Tarifergebnis auch 1:1, also zeit- und wirkungsgleich auf die Beamtinnen und Beamten übertragen wird.

Interview: Maria Kniesburges

Wir glauben, dass es längst an der Zeit ist, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst mehr Sicherheit zu geben. Stabile Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen Dienst, die sachgrundlose Befristung ausschließen, tragen auch zur Qualität der Arbeit bei.