Ein Hans – und kein Glück

Peter Walther: Hans Fallada

Rudolf Ditzen hieß er in Wirklichkeit. Seinen Künstlernamen hat er sich aus Grimmschen Märchen zusammengestellt. Hans – jawoll, der im Glück, und Falada, das sprechende Pferd. So fabelhaft benannt, wurde er ein Erfolgsautor der 30er und 40er Jahre. Der Durchbruch kam mit Kleiner Mann - was nun? – kurz vor der Machtergreifung der Nazis. Denen war der Fallada suspekt - und die ihm sowieso –, aber sie ließen ihn halbwegs in Ruhe. Ohne sich mit dem braunen Pöbel allzu gemein zu machen, lavierte er sich durch und veröffentlichte weiter.

Viele Bücher sind heute noch Allgemeingut, nicht zuletzt durch Verfilmungen, wie Ein Mann will nach oben, Der eiserne Gustav oder auch Der Trinker (mit Harald Juhnke in der Titelrolle). Und dann das schier Unglaubliche: mehr als 50 Jahre nach der Erstveröffentlichung und Falladas Tod stürmt einer seiner letzten Romane – das düstere Jeder stirbt für sich allein – die Bestsellerlisten in den USA und vielen anderen Ländern.

Es ist kein Wunder also und völlig zu Recht, dass dieser Autor wieder mehr Aufmerksamkeit gewonnen hat und in einer neuen Biografie gewürdigt wird. Und die hat es in sich, denn Fallada war eine ungewöhnliche, vielseitige und innerlich zerrissene Persönlichkeit. Von früh an geplagt durch Depressionen, Todessehnsucht und Selbstzweifeln, chronischer Alkoholiker, Morphinist und Kettenraucher, manisch getrieben von seinem Willen, Literatur zu schaffen, und der Suche nach einem Platz im Leben. Unzählige Aufenthalte in der Psychiatrie hatte er hinter sich und Haftstrafen wegen Betrügereien.

Dann endlich der Erfolg als Autor, ein kleines Landgut an der Mecklenburgischen Seenplatte und ein wenig familiäre Harmonie. Um all das kämpft er immer wieder, versucht es stabil zu halten und durch schwierige Zeiten zu bringen, auch gegen seine eigene zerstörerische Energie. Das gelingt mit Ach und Krach - bis kurz vor Kriegsende. Dann folgt die Scheidung, eine neue Beziehung zu einer jungen, ebenfalls drogenabhängigen Frau und der frühe Tod mit noch nicht mal Mitte Fünfzig.

Nein, ein Hans im Glück war der Fallada sicher nicht, das hat er nur temporär, kurzzeitig empfinden können. Geblieben ist ein üppiges Werk, das sich auch heute noch zu lesen lohnt. Und ein Haus am See, in Carwitz. Wer mal in der Nähe ist, einfach reinschauen ins Hans-Fallada- Museum. Denn dort kommt man diesem besonderen Dichter sehr nahe. Tina Spessert

AUFBAU VERLAG, BIOGRAFIE, 527 S., 25 €


Erika Pluhar: Gegenüber

Henriette ist achtzig und lebt zurückgezogen in einer kleinen Stadtwohnung. Als sie eines Morgens einen Schwächeanfall erleidet, macht sie die Bekanntschaft ihrer Nachbarin, der 37-jährigen Hausfrau Linda. Henriette wehrt sich zunächst gegen die Hilfe der jungen Frau, doch irgendwann lässt sie sie in ihre Wohnung und in ihr Leben. Die beiden Frauen reden: über Gott und die Welt, über gelebte und vergessene Träume, über die Liebe und die eigene Endlichkeit. Am berührendsten ist der Roman, wenn Henriette allein und sich selbst ausgeliefert ist - ihrem Alter, ihrer Hinfälligkeit und ihrer Einsamkeit. Einmal betrachtet sie sich nach langer Zeit nackt vor dem Spiegel: "War hässlich, was sie da sah? Nicht unbedingt fand sie. (...) Alles in welke Haut gehüllt, nicht unschön, nur eben welk, wie Blumen auf sanfte Weise welk sein können." Mit Gegenüber inszeniert die Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin Erika Pluhar ein ungewöhnliches Kammerspiel, das zwar die Wohnung der alten Dame nie verlässt, uns aber dennoch bis in die Westsahara führt. Marion Brasch

RESIDENZVERLAG, 344 S., 24 €


Christian v. Ditfurth: Zwei Sekunden

Terroralarm in Berlin: Bei einem Anschlag auf die Wagenkolonne der Bundeskanzlerin und des russischen Präsidenten sterben drei Insassen eines nachfolgenden Autos. Stecken tschetschenische Terroristen dahinter? Oder Islamisten? Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Polizei ermitteln fieberhaft, doch sie können weitere Morde an einem Minister und Beamten nicht verhindern. In seinem rasanten Politthriller zeigt Christian v. Ditfurth, wie Politiker, Sicherheitsexperten und Geheimdienste auf die Anschlagsserie reagieren. Wie sie taktieren, intrigieren, den Staat für ihre Machtzwecke missbrauchen. Nur ein Mann ermittelt ohne Rücksicht auf seine Karriere: Eugen de Bodt, ein unkonventioneller Hauptkommissar, die absolute Ausnahme im speichelleckenden Beamtenapparat. Der umstrittene Polizist und seine Mitarbeiter legen sich mit dem Politik-Establishment an, riskieren ihr Leben und schnappen die Drahtzieher. De Bodt deckt auf, dass Wirtschaftsinteressen in der Arktis hinter der mörderischen Aktion stecken. Ein intelligenter Thriller, in hohem Tempo und mit viel Ironie erzählt. Günter Keil

CARL'S BOOKS/RANDORNHOUSE, € 14,99