Helden des Alltags

Süddeutsche Zeitung, 8. Februar 2017

Ob und wie sehr Streiks stören, davon hängt meist ab, was der nicht streikende Teil des Volkes vom jeweils streikenden hält. Unter diesem Aspekt dürften die Arbeitsniederlegungen, zu denen die Gewerkschaft Verdi [...] unter anderem bei Studentenwerken, Landesbehörden sowie Zentren für Psychiatrie aufruft, kaum jemanden empören; auch dass Lehrer nicht zur Arbeit kommen - in Ordnung. Streiks des Flughafenpersonals, ebenfalls auf Initiative von Verdi, hingegen findet kaum jemand charmant. Da gibt es immer schnell einen, der sagt, Konflikte dürften nicht rücksichtslos auf dem Rücken von Reisenden... et cetera. [...] An den Flughäfen hingegen ist es ein ernsthafter Konflikt, der seit Monaten stockt. Nun demonstrierte die Gewerkschaft [...] ihre Macht. Auf dem Rücken der Reisenden? Die Einstiegslöhne der Gepäckleute und Flugzeugreiniger liegen zum Teil knapp über dem Mindestlohn. Sie fordern ein bis zwei Euro mehr pro Stunde. Manchmal sind Streikende maßlos. Diese Helden des Alltags sind es ganz bestimmt nicht.


"Wir brauchen mehr Mitbestimmung"

Neue Osnabrücker Zeitung, 4. März 2017

Die Gewerkschaften fordern eine Deckelung der Managergehälter. Könnten nicht auch die Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten mehr tun, um Auswüchse zu unterbinden?

Extrem hohe Vergütungen und Abfindungen werden zu Recht kritisiert. Allerdings warne ich davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Kritiker wie Jens Spahn von der CDU versuchen, die Mitbestimmung insgesamt zu diskreditieren. Das ist ein durchsichtiges Manöver. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Mitbestimmung, damit wir gute Arbeit in Betrieben und Verwaltungen haben. Es ist enorm, was 180.000 Betriebsräte und 220.000 Personalräte Tag für Tag leisten. Ohne sie gäbe es noch viel häufiger Exzesse und das Streben nach kurzfristigen Profiten.

Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, im Interview