Das hatte es am Flughafen Schönefeld noch nicht gegeben: Warnstreiks bei easyJet

von Helma Nehrlich

Als "moderne Sklaverei" bezeichnet Wolfgang Doll so einiges, was er als Pilot bei dem Flugunternehmen easyJet erlebt hat. Wie alle Beschäftigten in Cockpit und Kabine hat er seine Erfahrungen mit dem britischen Arbeits- und Sozialrecht machen müssen, das bei dem bekannten Billigflieger auch für die Basis Berlin-Schönefeld galt.

Flugbegleiter Paul Urquart, der als Kabinenchef tätig ist, bestätigt das. Das Sozialsystem auf der Insel, so urteilt er, basiere noch auf den "Traditionen des victorianischen Großbritannien" und schlage bei Rente und Sozialversicherung negativ zu Buche. Das führte zum Beispiel schon zu folgender Situation: "Wenn Kolleginnen oder Kollegen mal länger als drei Monate krank waren, bekamen sie gar nichts mehr. Wir haben dann überlegt, wie wir sie unterstützen können."

Glatte Fehlanzeige

Auch in punkto Mitbestimmung galt bei easyJet: Fehlanzeige. Mitbestimmung gibt's nicht.

Sechs Jahre nach dem ersten easyJet-Anflug auf SXF - den Flughafen Berlin-Schönefeld - im Mai 2004 muss das Unternehmen nun endlich vollends in Schönefeld landen: Die 300 Beschäftigten des fliegenden Personals haben sich Mitbestimmungsrechte und deutsche Arbeitsverträge erstritten. "Das haben Piloten und Flugbegleiter gemeinsam - alle in einer Gewerkschaft - geschafft", hebt der zuständige ver.di-Sekretär Holger Rößler hervor.

Meilenweit

Im Sommer 2009 war die Betriebsratsgründung bei easyJet schon einmal auf gutem Wege, doch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg urteilte, dass für die im Flugbetrieb Tätigen eine Interessenvertretung nur durch einen Tarifvertrag ermöglicht werden kann. "Wir haben von der Arbeitgeberseite daraufhin den Abschluss des dazu notwendigen Betriebsnormentarifvertrages zur Gründung eines Betriebsrates gefordert", sagt Holger Rößler. Erst nach einem auch in den Medien viel beachteten Warnstreik der Frauen und Männer von easyJet im Dezember 2009 starteten endlich die Verhandlungen.

"Die Positionen lagen aber noch meilenweit auseinander", berichtet Rößler. "Die Geschäftsleitung stellte sich ein so genanntes Forum vor, das keine echten Rechte haben sollte. Das passe ‚besser in die easyJet-Kultur', hieß es."

Nach sieben erfolglosen Verhandlungstagen reichte es den Beschäftigten dann: Am eisigen Morgen des 18. Februar blieben erneut alle easyJet-Maschinen am Boden. Fünf Stunden lief nichts auf dem Rollfeld. Piloten und Flugbegleiter/innen versammelten sich vor der Abfertigungshalle und protestierten gegen die Hinhaltetechnik der Geschäftsführung. Das erregte Aufsehen. Nach diesem Warnstreik, an dem sich fast alle beteiligt hatten, wie Rößler zufrieden feststellt, wurden die Gewerkschafter/innen zum Vorstand der Airline nach London eingeladen.

Unter Dach und Fach

Inzwischen geht Holger Rößler davon aus, dass der Tarifvertrag mit easyJet noch im April unter Dach und Fach kommt. Eine siebenköpfige Interessenvertretung auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes soll gewählt werden. Rößler sagt: "Wir werden starke ver.di-Kandidaten ins Rennen schicken." Auch bei der Umstellung der Arbeitsverträge gibt es einen Durchbruch: "Acht Monate haben wir uns in einer Arbeitsgruppe damit beschäftigt. Wir hatten dabei tolle Unterstützung von ver.di", sagt der Pilot und Gewerkschafter Wolfgang Doll.

Schnell an Bord kommen - das haben die Beschäftigten getan

"Wir wollen Rentenansprüche, Sozialversicherung, Krankengeld und Bildungsurlaub durchsetzen - nichts anderes als das, was unsere Kollegen und Freunde in Deutschland auch ganz selbstverständlich bekommen", sagt Kabinenchef Paul Urquart.

Jetzt werden fürs erste akzeptable deutsche Arbeitsverträge ausgestellt, die dem fliegenden Personal ab Mai 2010 eine Umstellung auf hiesiges Recht bringen. Doch damit nicht genug: Als nächstes sollen reguläre Tarifverhandlungen zu Vergütungen und Arbeitsbedingungen eingefordert werden. Eine gewerkschaftliche Tarifkommission für das Kabinenpersonal gibt es seit einiger Zeit, neuerdings besteht auch eine für die Piloten im Cockpit. "Die jetzt ausgegebenen individuellen Arbeitsverträge sind in mancher Beziehung wirklich noch zu verbessern. Und das geht nur kollektiv", sagt Verhandlungsführer Holger Rößler. Den Beschäftigten und ver.di geht es dabei besonders um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Urlaubsregelungen. Verhandlungsführer Holger Rößler ist optimistisch.