Wenn es um die Bezahlung von Frauen geht, klafft da immer noch eine große Lücke gegenüber Männern, selbst bei gleicher Arbeit. Die Isländerinnen haben einen Weg aus der Lohnfalle gefunden

Gegen die ungerechte Lohndifferenz hilft wohl nur ein Frauenstreik

"Kann sich die Frau vorstellen, dass es Männer gibt, die schlecht bezahlt werden, die Woche für Woche um das Notwendige kämpfen, die weder im Kulturbereich noch im Sport landen können, die mies bezahlte Scheißjobs annehmen müssen, die sie krank machen?" Diese Frage stellte mir im vergangenen Frühjahr ein Leserbriefschreiber. Ich hatte, wie schon so oft, über die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen geschrieben und zu einem Frauenstreik aufgerufen. Im vergangenen Oktober haben die Isländerinnen gezeigt, was ein solcher Streik bringen kann: Zehntausende Frauen verließen genau um 14 Uhr 38 ihre Arbeitsplätze, zu dem Zeitpunkt, ab dem sie anfingen, für umsonst zu arbeiten, während ihre männlichen Kollegen weiter für ihre höheren Löhne am Schaffen waren.

Der Protest der Isländerinnen war erfolgreich: Seit dem 8. März 2017, dem Internationalen Frauentag, gibt es in Island ein Lohngleichheitsgesetz, das generell unterschiedliche Löhne bei gleicher oder ähnlicher Arbeit verbietet. Weder das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit, die Sexualität noch die Nationalität dürfen ausschlaggebend bei der Bezahlung sein.

Aber um noch einmal auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Ich kann mir nicht nur vorstellen, dass Männer mies bezahlt werden, ich weiß, dass es solche Männer gibt. Schließlich kämpfen wir Gewerkschafter/innen geschlechterübergreifend für gute Arbeit und anständige Löhne für alle. Miserable Löhne sind generell nicht gut und eine Frage der sozialen Gerechtigkeit an sich. Die Schere zwischen den geringfügig, eben mies bezahlten Jobs und den Spitzenverdiensten spreizt sich immer mehr. Dennoch: Es sind in der Mehrheit Frauen, die in diesen mies bezahlten "Scheißjobs" schuften. Von über fünf Millionen Minijobbern waren im Jahr 2016 zwei Drittel Frauen. 2015 waren laut Statistischem Bundesamt 64 Prozent aller arbeitenden Frauen lediglich in geringfügiger Beschäftigung.

Sechs Prozent sind sechs Prozent zu viel

Dass Frauen auch bei gleicher Arbeit schlechter bezahlt werden, hat Tradition. Dagegen haben auch die Römischen Verträge, die vor 60 Jahren die Entgeltgleichheit in Europa festschrieben, nichts geändert. Bis Anfang der 1970er-Jahre mussten Ehegatten in Deutschland gar noch ihre Einverständniserklärung abgeben, damit ihre Ehefrauen überhaupt arbeiten gehen durften. Weltweit besteht laut dem UN-Entwicklungsprogramm diese Erlaubnispflicht immer noch in 18 Ländern. Die Schweiz hat erst 1982 in ihrer Bundesverfassung im Artikel 8, Abschnitt 3, die Gleichberechtigung festgeschrieben: "Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit." Aber auch 35 Jahre später verdienen Schweizerinnen im Schnitt nur 72 Prozent dessen, was ihre männlichen Kollegen für die gleiche Arbeit erhalten.

In Deutschland liegt die aktuelle durchschnittliche Entgeltlücke bei 21 Prozent. Selbst wenn man Faktoren wie unterschiedliche Berufe, Kinderpause, Teilzeit oder Minijob herausrechnet, bleibt laut dem Statistischen Bundesamt eine Lücke von sechs Prozent, die sich allein auf gleiche Arbeit bezieht. Das sind genau sechs Prozent zu viel. Und auch Erwerbsunterbrechungen und Teilzeitarbeit wegen Kindern dürfen sich am Ende nicht negativ auf das Einkommen von Frauen auswirken. Aber das ist die Realität. Der Lohnabstand zwischen den Geschlechtern nimmt mit dem Alter zu. Liegt er bei den 25 bis 29-Jährigen bei 8,5 Prozent, ist er bei den 40 bis 44-Jährigen schon auf 25,6 Prozent gewachsen und ist dann im Rentenalter auf dem derzeitigen Höhepunkt von 29,5 Prozent angekommen.

Was ist welche Arbeit wert?

In den letzten zehn Jahren ist die Entgeltlücke zwischen Mann und Frau gerade einmal um zwei Prozent gesunken. Es kann bei diesem Tempo noch einige Jahrzehnte dauern, bis sie zusammengeschrumpft ist. Dass sie überhaupt weiter schrumpft, ist dabei nicht einmal ausgemacht. Denn ein großes Problem ist vor allem auch, dass Arbeit, die überwiegend Frauen tätigen, als weniger wert betrachtet und entsprechend geringfügiger entlohnt wird. Warum etwa verdient laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung eine Altenpflegerin nur 12 Euro brutto die Stunde gegenüber einem Hausmeister mit 13 Euro? Oder eine Krankenschwester und eine Sozialarbeiterin 16 Euro die Stunde, während ein Softwareentwickler 24 Euro in der Stunde verdient? Oder eine Erzieherin mit 14 Euro gegenüber einem Datenverarbeiter mit 22 Euro Stundenlohn? Wer oder was entscheidet darüber, dass für eine bestimmte Arbeit weniger als für eine andere gezahlt wird?

In erster Linie natürlich diejenigen, die Menschen beschäftigen. Und da spielen die Gewinne, die Unternehmen machen, eine Rolle. Aber gerade das Beispiel der Schweiz zeigt, dass selbst in gut bezahlten Branchen Frauen 28 Prozent weniger Geld erhalten für dieselbe Arbeit, die männliche Kollegen erledigen. Und auch hierzulande ist es nicht wirklich besser.

Unlängst sind zwei Frauen mit ihren Klagen auf Gleichstellung und gleiche Bezahlung gescheitert. Zum einen eine mit dem Deutschen Wirtschaftsfilmpreis ausgezeichnete ZDF-Journalistin, die deutlich weniger für ihre Beiträge erhielt als Kollegen mit viel geringerer Berufserfahrung. Und auch das ver.di-Mitglied Edeltraud Walla, Schreinermeisterin und Werkstattleiterin im Fachbereich Architektur an der Universität Stuttgart, klagte wegen eines Lohnunterschieds von 1.200 Euro brutto gegenüber einem Kollegen, Schreinergeselle ohne Meisterbrief, aber ebenfalls Werkstattleiter. Vor zwei Jahren sagte Walla in dieser Zeitung: "Wir Frauen fahren viel zu lange auf der Harmonieschiene." Die hat sie verlassen. Sie hat zwar vor allen deutschen Gerichten verloren, aber sie ist nun mit ihrer Klage bis zum Europäischen Gerichtshof gezogen.

Etwas Radikales tun

In Deutschland hat Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig, SPD, ein Lohntransparenzgesetz auf den Weg gebracht. Es soll für mehr Lohngerechtigkeit sorgen, weil es Frauen die Möglichkeit gebe, ihr Recht auf gleiche Bezahlung besser durchzusetzen. Einklagbar wäre es damit aber noch immer nicht. Schwesigs isländischer Kollege Thorsteinn Viglundsson, Minister für Gleichheit und Soziales, ist deshalb aufs Ganze gegangen. "Die Zeit ist reif, etwas Radikales zu tun, wenn es um das Thema Gleichberechtigung geht. Gleichberechtigung ist ein Menschenrecht", sagte er anlässlich der Verabschiedung des Lohngleichheitsgesetzes am 8. März dieses Jahres in Island. Eigentlich ist es schlimm, dass ein Minister das noch erwähnen muss. Aber anders geht es wohl nicht.

Die Isländerinnen sind im Übrigen seit 1975 immer am 24. Oktober, dem Tag der Vereinten Nationen, zum Frauenstreik auf die Straße gegangen. Nehmen wir doch den gleichen Tag, trat er doch am 24. Oktober 1945 mit einer Charta in Kraft und wurde 1971 von der UN-Vollversammlung zum Internationalen Feiertag erklärt. Der Tag entspricht zudem nach derzeitigem Stand auch ungefähr dem Tag, ab dem hierzulande immer noch viel zu viele Frauen theoretisch unentgeltlich arbeiten. Und die Männer? Die dürfen sich gern einreihen.

Wer Edeltraud Walla, deren Gerichtskosten sich bisher schon auf rund 7.000 Euro belaufen, unterstützen mag, kann auf folgendes Konto spenden:

IBAN: DE88 6006 9336 0000 8904 21, BIC: GENODES1RMA, Raiffeisenbank Maitis, Stichwort: Edeltraud Walla-Entgeltdiskriminierung