Graham Swift: Ein Festtag

Am 30. März 1924 nimmt das Leben von Jane Fairchild eine entscheidende Wende. Das kluge englische Dienstmädchen trifft sich heimlich mit ihrem Liebhaber auf dessen Anwesen. Was beide nicht ahnen: Es wird ihr letztes tête-à-tête sein. Wenige Stunden später stirbt der wohlhabende junge Mann bei einem Autounfall. Jane bleibt erstaunlich gelassen. Illusionen, dass aus dieser Affäre eine Ehe werden würde, hatte sie sich nie gemacht. Mit Distanz blickt sie nun auf ihre Liebschaft und fühlt sich erstmals wie eine Beobachterin ihres eigenen Lebens. Eine Rolle, die sie als Dienstmädchen in Bezug auf andere Personen schon lange perfekt gespielt hat: "Man stand draußen und blickte hinein. Die Dienenden dienten, und die Bedienten, sie lebten." Aus dieser feinen Beobachtungsgabe macht Jane einen Beruf - sie wird eine erfolgreiche Schriftstellerin, die noch im Alter von 90 Jahren auf den schicksalshaften Tag zurückblickt. Graham Swift hat darüber nicht nur eine elegante, tiefsinnige Novelle geschrieben. Dem englischen Schriftsteller ist ein sinnliches Zeitporträt über Standesunterschiede zudem gelungen. Günter Keil

DTV, 144 S., ÜBERSETZT VON SUSANNE HÖBEL, 18 €


Mira Magén: Zu blaue Augen

Gib niemals den Spaß am Leben auf - das ist das Motto der 77-jährigen Hannah Jonah. Mit einer rumänischen Haushaltshilfe, drei Töchtern und einer Enkelin, lebt die Witwe in ihrem alten Haus in Jerusalem. Auf den ersten Blick scheint sie eine ganz normale Alte zu sein: etwas gebrechlich und völlig harmlos. Doch von wegen. Hannah ist die vielleicht verrückteste Oma Israels. Mira Magén porträtiert sie als lebenshungrige, gewitzte Frau, die Kleider, Wein, Männer, Käsekuchen und Schuhe schätzt. Manchmal treibt sie sich nachts in Bars herum - Hauptsache, sie bleibt in Bewegung. Selbstverständlich hat Hannah auch jede Menge Sorgen: In ihrer Familie gibt es ständig Stress, Immobilienspekulanten wollen sich ihr Grundstück unter den Nagel reißen, und ein Gehirntumor setzt sie vorläufig außer Gefecht. Doch nichts davon bringt die ungewöhnliche Oma aus der Ruhe. Ihr Optimismus scheint unbesiegbar. Mira Magén hat um Hannah Jonah keine simple Komödie gestrickt, sondern einen empathischen Generationenroman. Die charmante Geschichte wirkt wie ein Plädoyer, das Leben leicht zu nehmen - trotz Trauer, Krankheit und Enttäuschung. Günter Keil

DTV, 384 S., ÜBERSETZT VON ANNE BIRKENHAUER, 21 €