Peter Freitag ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, dju, in ver.di

Der G20-Gipfel in Hamburg: Steine fliegen auf Fotografen, Kamerateams geraten unter den Beschuss von Tränengas, Journalisten werden die Akkreditierungen entzogen und Einsatzkräfte erklären Kolleginnen und Kollegen, so schildern sie es ihrer Gewerkschaft ver.di: "Mit Pressefreiheit ist jetzt Schluss." Das erschreckt. Und es zeigt uns deutlich, dass auch hierzulande die Pressefreiheit täglich neu erkämpft werden muss.

In den vergangenen Tagen gerieten Journalistinnen und Journalisten gleich von zwei Seiten massiv unter Druck: Von staatlichen Einsatzkräften, die entweder nicht willens oder nicht in der Lage waren, die in Artikel 5 des Grundgesetzes verankerte Presse- und Informationsfreiheit zu respektieren und durchzusetzen, aber auch von Randalierern und gewalttätigen Demonstranten, die Flaschen und Steine auf Reporterinnen, Fotografen und TV-Teams warfen. In den Tagen von Hamburg drängte sich wiederholt der Verdacht auf, dass weder vermummte Demonstranten noch die Polizei von den Journalistinnen und Journalisten bei dem, was sie taten, beobachtet werden wollten.

G20 wird uns deshalb auch als gewalttätige Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über gesellschaftliche Konflikte in bitterer Erinnerung bleiben. Zum Glück war das ein Grund mehr für die Kolleginnen und Kollegen von Zeitungen, Fernseh- und Radiosendern sowie Nachrichtenagenturen, ganz genau hinzuschauen. So hat die Öffentlichkeit ein differenziertes Bild bekommen von den Ereignissen rund um G20. Sie kann sich damit ein Urteil bilden, von dem derzeit allerdings noch nicht absehbar ist, wie es ausfällt.

Fest steht allerdings, dass der Artikel 5 des Grundgesetzes, die Pressefreiheit, unter keinen Umständen außer Kraft gesetzt werden darf. Er lautet: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt." Und deswegen ist jede Einschränkung von Berichterstattung inakzeptabel, egal, ob es gute oder schlechte, willfährige oder unliebsame Berichterstattung ist. Natürlich ist der Frust vieler Polizeibeamten über einen völlig aus dem Ruder gelaufenen Einsatz, über falsche Entscheidungen der politischen Führung und der Einsatzleitung sowie über sinnlose Gewalt von Straftätern verständlich. Frustration darf aber nicht dazu führen, dass grundlegende Prinzipien unseres Rechtsstaates willkürlich außer Kraft gesetzt werden. "Die Presse erfüllt eine öffentliche Aufgabe" - dieser Satz findet sich auf der Rückseite des bundeseinheitlichen Presseausweises. Er verpflichtet jeden einzelnen Polizeibeamten, das Recht auf freie und ungehinderte Berichterstattung zu respektieren. Professionelle Journalistinnen und Journalisten machen ihre Arbeit im öffentlichen Interesse und nicht aus Selbstzweck. Dieses Wissen darf auch in der Hektik eines Polizeieinsatzes nicht in Vergessenheit geraten.

Dass Journalistinnen und Journalisten in einer demokratischen Gesellschaft eine unverzichtbare Funktion erfüllen, muss man aber offensichtlich auch den Verantwortlichen von Bundeskriminalamt und Bundespresseamt einmal mehr in Erinnerung rufen. Sie haben Berichterstattern wiederholt eine bereits erteilte Akkreditierung entzogen und ihnen so den Zugang zum internationalen Medienzentrum des G20-Gipfels verweigert. Wie sich jetzt herausstellt, kursierte unter den eingesetzten Sicherheitskräften sogar hundertfach eine zweiseitige "schwarze Liste" mit den Namen derjenigen Journalistinnen und Journalisten, denen die Behörden die Zulassung verweigern sollten. Das ist skandalös und erinnert auf erschreckende Weise an Praktiken, wie sie eigentlich nur bei autoritären Regimen gang und gäbe sind, so glaubten wir zumindest bis jetzt.

Auch solche willkürlichen Akte sind mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar, zumal wenn sie mit Worthülsen wie dem lapidaren Hinweis, es gebe "sicherheitsrelevante Erkenntnisse" gerechtfertigt werden. Bis heute sind die Behörden Antworten schuldig, worin genau diese "Erkenntnisse" bestehen - und zwar sowohl gegenüber den betroffenen Journalistinnen und Journalisten, denen nun eine rufschädigende Stigmatisierung als Sicherheitsrisiko droht, als auch gegenüber der Öffentlichkeit.

Tatsächlich drängt sich eher der Eindruck auf, dass unliebsame Berichterstattung unterbunden werden soll. Deswegen lässt die dju in ver.di dieses Vorgehen, das auch gewichtige datenschutzrechtliche Fragen aufwirft, nun gerichtlich klären - im Sinne der betroffenen Kolleginnen und Kollegen, aber auch im Sinne unserer Demokratie.

Das erinnert an Praktiken, wie sie eigentlich nur bei autoritären Regimen gang und gäbe sind