Stellenabbau und Lohnkürzungen sind für Birminghams Müllwerker nicht verhandelbar

Im mittelenglischen Birmingham blieben die Müllsäcke im Sommer viele Wochen liegen. Und es könnte sein, dass das auch im Herbst wieder so kommen wird. Birmingham, die zweitgrößte Stadt Großbritanniens, steht im Zentrum eines Arbeitskampfes, in dem es um harte Einsparungen, aber auch um die politische Zukunft der Labour-Partei geht.

Die Partei macht unter ihrem Vorsitzenden Jeremy Corbyn derzeit einen Richtungswechsel durch. Noch bis 2015 war sie eine stramm neoliberale Partei. Seit seinem Amtsantritt bemühen sich der neue Parteivorsitzende Corbyn und seine Unterstützer um die Durchsetzung eines Programms im Interesse der arbeitenden Menschen. Corbyn ruft junge Leute zum Eintritt in die Gewerkschaften auf, möchte einen Mindestlohn von zehn Pfund pro Stunde und plant die Verstaatlichung privatisierter Dienstleistungen wie der Eisenbahnen und der Post. Das finden längst nicht alle in seiner Partei gut. So wird die Stadtregierung von Birmingham von sogenannten "moderaten" Kräften dominiert, die mit der Sparpolitik der konservativen Regierung einverstanden sind. In Birmingham möchte die lokale Labour-Partei fünf Millionen Pfund aus dem Stadthaushalt streichen.

Dem stellen sich seit August die städtischen Müllwerker entgegen. Über zwei Monate hinweg haben sie an jedem Arbeitstag drei Stunden lang gestreikt. Damit wehrten sie sich gegen den Versuch der Stadt, Stellenabbau und Lohnkürzungen auf dem Rücken ihrer Kolleg/innen zu betreiben.

Noch mehr Arbeit

Konkret geht es um jene, die hinten auf den Trittbrettern der Mülllaster stehen. Teil ihres Jobs ist es, dafür zu sorgen, dass keine Hindernisse für den Laster im Weg sind. Sie schauen, ob überraschend Kinder auf die Straße rennen oder Autos dem Laster zu nahe kommen. Sie verhindern damit Unfälle und tragen zur Verkehrssicherheit bei. Diesen Job will die Stadtverwaltung abschaffen. Die Beschäftigten sollen von Sicherheitskameras ersetzt, eine ganze Lohnstufe soll abgeschafft werden. Vielen Müllwerkern drohen damit Lohneinbußen von bis zu 5.000 Pfund (5.622€) pro Jahr. Dabei verdienen sie schon jetzt höchstens 21.000 Pfund (23.614€) im Jahr.

Schließlich zwang der Arbeitskampf der Beschäftigten die Stadt an den Verhandlungstisch. Im Rahmen eines Mediationsverfahrens wurde ein Abkommen ausgehandelt. Die Gewerkschaft UNITE akzeptierte dabei eine Reihe von Veränderungen im Arbeitsalltag der Müllwerker: Die Arbeitswoche wurde von vier auf fünf Tage verlängert, der Arbeitstag intensiviert. Laut dem neuen Vertrag soll die Müllabfuhr täglich längere Strecken in kürzerer Zeit absolvieren. Das bedeutet mehr Stress für die Beschäftigten. Doch die Lohnkürzungen und der Stellenabbau waren für die Gewerkschaft nicht verhandelbar. Das akzeptierte auch John Clancy, der Vorsitzende der Stadtregierung, als er Mitte August seine Unterschrift unter ein Abkommen setzte, mit dem der Streik beigelegt wurde. Auch die Exekutive der Stadtregierung billigte den neuen Vertrag.

Plötzlich gab es 113 Kündigungen

Doch am 24. August war alles anders. Plötzlich hieß es aus den Reihen der Labour-Fraktion, Glancy habe seine Kompetenzen überschritten, es gebe kein Abkommen. Anfang September wurden 113 Kündigungen verschickt. Am 1. Oktober hätten die Kündigungen in Kraft treten sollen. Weil die Gewerkschaft dagegen vor das britische Höchste Gericht zog, sind die Kündigungen jedoch vorerst außer Kraft gesetzt. Im November soll das Gerichtsverfahren beginnen.

Ohne Nutzen

Für das Handeln der Stadtregierung finden Gewerkschaftsvertreter/innen starke Worte. Howard Beckett ist der für den Streik verantwortliche Hauptamtliche der UNITE-Gewerkschaft. In einer Rede auf dem Kongress des britischen Gewerkschaftsbundes TUC in Brighton sagte er im September: "Eine Labour-Stadtregierung, die nicht für unsere Mitglieder aufsteht, ist für unsere Bewegung ohne Nutzen. Wenn sie wie Tories klingen, wie Tories reden und wie Tories handeln, verdienen sie es, Tories genannt zu werden."

Weil sich der Streik der Müllwerker gegen Kommunalpolitiker/innen der Labour-Partei richtete, dauerte es eine Weile, bis Parteichef Corbyn sich dazu äußerte. In seiner ebenfalls in Brighton gehaltenen Parteitagsrede forderte er die Stadtregierung schließlich zum Handeln auf. Auch John McDonnell, der wirtschaftspolitische Sprecher der Labour-Partei, hat den Beschäftigten inzwischen Unterstützung zugesagt. Es handele sich aber nicht um einen Streik gegen Labour, sondern gegen die Sparpolitik, sagte er am Rande des TUC-Kongresses.

Doch für die Streikenden ist es sehr wohl auch ein Streik gegen Labour. In einem Dokumentarfilm wird ein Streikender mit den Worten zitiert: "Ich habe Labour gewählt, jetzt bin ich darüber sehr verbittert." Im Mai 2018 sind in Birmingham Stadtratswahlen. Für die Müllwerker und ihre Gewerkschaft wird dann Thema sein, ob sie die derzeitige Stadtregierung abwählen wollen.

Kurzdoku auf YouTube:

https://www.youtube.com/watch?v=3TDhpN_xz4o&feature=youtu.be