Oliver Bottini: Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens

Im Westen Rumäniens überbieten sich die Konzerne, um günstiges Ackerland aufzukaufen. Natur und Arbeitskräfte werden ausgebeutet, Großbetriebe und Monokulturen bestimmen die Landwirtschaft. Die Hauptfigur in Bottinis neuem Spannungsroman, der rumänische Kommissar Ioan Cozma, ermittelt in einem Mordfall: Eine junge Deutsche wurde erstochen aufgefunden. Ihrem Vater gehört ein Agrarunternehmen, und der Verdacht fällt auf einen der Feldarbeiter. Die vermutete Tat aus Leidenschaft entwickelt sich zu einem Geflecht aus Geschäftsinteressen. Auf einmal ist Cozma mittendrin im Konkurrenzkampf internationaler Konzerne. Von deren Landraub profitieren Parteifunktionäre, Staatsbeamte und Oligarchen. Kleinbauern und Arbeiter haben das Nachsehen. Bottini zeigt, wie schwer es einer Gesellschaft fällt, sich von den Schatten ihrer Vergangenheit zu lösen. Und wie leicht es für skrupellose Unternehmen ist, von diesem Prozess zu profitieren. Günter Keil

DUMONT BUCHVERLAG, 414 S., 22 €


Leonhard F. Seidl: Fronten

Markus Keilhofer ist nicht zu beneiden. Er wuchs bei seinen Großeltern auf, die sich als "Reichsbürger" verstehen. Dieser mit Mohnblütenöl vor Chemtrails geschützte Enkel überfällt eine Sparkasse im oberbayerischen Auffing und verlangt drei türkische Bürger, um Rache zu üben für einen Polizistenmord, der eine Woche zuvor von einem kriegstraumatisierten Bosnier verübt worden war. Was sich konstruiert anhört, ist vor dreißig Jahren tatsächlich passiert, nur ein Dorf weiter. Seidl, der sich bereits mit seinen zwei ersten Krimis Mutterkorn und Viecher die Nische des politischen Heimatkrimis erschlossen hat, nimmt diese Ereignisse zum Anlass, um die kausalen Muster dahinter aufzuzeigen. Er verlegt sie in die Gegenwart und fügt die Figur der kurdischstämmigen, voll integrierten Ärztin Roja Özen hinzu, die zufällig anwesend ist, als Ayyub auf die Polizisten schießt. Sie bleibt unverletzt und gerät im Sog aufbrandender Fremdenfeindlichkeit buchstäblich zwischen alle Fronten. Gut recherchiert und knallhart geschrieben. Jenny Mansch

EDITION NAUTILUS, 160 S., 16 €


Andreas Pflüger: Niemals

Pflügers zweiter Band mit der blinden Polizistin Jenny Aaron ist ein extrem spannender Thriller, geschrieben in einem atemlos coolen Stil, der der rasanten Handlung entspricht. Wer den hochge-lobten ersten Band Endgültig nicht kennt, wird in Rückblenden auf den Stand gebracht. Die in einer fiktiven geheimen Eliteeinheit des BKA arbeitende Jenny, von überragender Intelligenz, erbt von ihrem Todfeind ein riesiges Vermögen und viele, viele Tote pflastern ihren Weg durch das organisierte Verbrechen, das so realistisch beschrieben ist, dass einem angst und bange wird. Faszinierend ist Pflügers Einfühlung in die Blindheit seiner Protagonistin, die ihre ihr verbliebenen Sinnesorgane auf für Sehende überwältigend raffinierte Art und Weise zum Überleben nutzt; trotzdem fürchtet man ständig um sie. Man merkt, dass der Autor auch Drehbücher schreibt, sein Buch ist bestes Kino im Kopf. Ulla Lessmann

SUHRKAMP, 473 S., 20 €