Frauenparadies 4.0 – meist ein Märchen

München - Bei sozialen Dienstleistungen und in der Interaktionsarbeit soll es künftig 30 Prozent mehr Arbeitsplätze geben. Also in den "Frauenbranchen" Erziehung, Gesundheit, Pflege, Bildung, in denen Roboter nicht alles übernehmen können. So Christina Schildmann von der Hans-Böckler-Stiftung beim "Politischen Frauentreff" von ver.di im Münchner DGB-Haus zum Thema "Frauenarbeit der Zukunft".

Trotzdem ist München als große Dienstleistungsstadt kein Paradies für weibliche Erwerbstätige, solange die wachsenden Berufe schlecht entlohnt bleiben. "Frauenfähigkeiten sind nicht selbstverständlich, sondern müssen besser bezahlt werden", fordert deshalb Luise Klemens, Landesleiterin von ver.di Bayern. Außerdem sind es typische Frauentätigkeiten wie in Verwaltung und Handel, die von Robotern "weggeputzt" werden. Immer mehr Supermarktketten stellten Self-Scanner-Kassen auf, berichten Betroffene.

Arbeiten im Home-Office und damit die bessere Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit sind meist keine Alternative, dass sei oft ein "Märchen 4.0", sagt Christina Schildmann. Es sei nicht gesund, wenn Arbeiten und Kümmern zuhause ständig ineinanderfließen und "Abschalten" nicht möglich ist. "So wird das Vereinbarkeitsproblem individualisiert und unsichtbar gemacht. Gesellschaft, Politik und Wirtschaft müssen nichts mehr dafür tun", so die Co-Autorin des Gutachtens zum Zweiten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Danach können Männer ein Home- und Mobile-Office besser nutzen, um Karriere zu machen, während Arbeitgeber Frauen unterstellen, dass sie daheim nicht richtig arbeiten, wenn Kinder da sind.

Einen Lichtblick immerhin weist das Gutachten auf: Junge Menschen wollen sich real und nicht nur virtuell treffen, um gemeinsam etwas auszuhandeln. So könnten in der betrieblichen Cafeteria Impulse entstehen, wie man etwa die Digitalisierungsdividende in Arbeitszeitverkürzung für alle ummünzen oder 4.0-Gewinne aus der Industrie in die weniger profitable Dienstleistungsbranche transferieren kann. Reine Horrorszenarien gibt es dann nicht, davon sind beide Diskutantinnen überzeugt, wenn ver.di sich aktiv einmischt.