Die Anfängerin

Mit Annebärbel geht es so nicht mehr weiter. Wie unleidlich ist sie im Alter von 58 Jahren doch geworden. Gleichermaßen schroff begegnet die Ärztin ihren Patienten und Mitmenschen, nur bei der herrischen Mutter wird sie immer noch zum unsicheren Mädchen. Und dann trennt sich kurz vor Weihnachten auch noch der Ehemann von ihr. Fühlte sie sich schon vorher allein, ist sie jetzt die Einsamkeit in Person. Aber als sich die verhärmte Frau nach einem Noteinsatz in einem Berliner Eislaufstadion wiederfindet und älteren Semestern dabei zusieht, wie sie fröhlich mit einem Weihnachtsmann ihre Runden drehen, macht es Klick: Warum sollte sie sich nicht ihren Jugendtraum erfüllen und mit dem Schlittschuhlaufen nochmal ganz von vorne anfangen? Als Mädchen wollte sie Eisprinzessin werden, doch das wusste die strenge Mama zu verhindern, weil sie angeblich nicht das Zeug dazu hatte. Eine Profikarriere kommt zwar jetzt nicht mehr infrage, aber ein Freizeitclub von skurrilen, liebenswerten Rentnern, dem sich die Hobbyläuferin anschließt, erweist sich als eine gute Option.

Die Geschichte einer Frau, die sich erst spät von ihrer Mutter löst und ihren eigenen Weg gehen kann, ist jedoch nicht das Besondere an diesem Erstlingswerk. Vielmehr besticht es als eine zärtliche Liebeserklärung an das Eislaufen. Die schönsten Einstellungen entstehen in der Halle, in der sich die Heldin mit großem Ehrgeiz selbst das Laufen beibringt und jungen Leistungssportlern dabei zuschaut, wie sie sich in Pirouetten um die eigene Achse drehen oder durch die Luft wirbeln. Und dann trifft Annebärbel auch noch ihr Idol aus Kindheitstagen: Christine Errath, die DDR-Weltmeisterin von 1974, sie ist heute 60 Jahre alt. Im Film spielt die Berliner Eiskunstlauflegende ihre Schlüsselfigur selbst und präsentiert sich vor der Kamera noch einmal mit einer eigens für diesen Anlass choreographierten, zauberhaften Kür.

Regisseurin Alexandra Sell begnügt sich gleichwohl keineswegs damit, nur Anmut, Schönheit und Eleganz einer Sportart zu zeigen, die wegen elender körperlicher Schinderei in keinem allzu guten Ruf steht. Vielmehr zeigt die Regisseurin die Glitzerwelt auf dem Eis in einer Differenziertheit, wie es sie im Kino noch nicht gegeben hat. Dazu gehören freilich auch harte Trainingsstunden, Erfolgsdruck, Stürze und Niederlagen. Welch ein Vergnügen beschert dagegen ein Schaulaufen der Amateure! Annebärbel schwebt bei ihrem großen Auftritt sogar auf einem Bein durch die Arena. Und sieht so glücklich aus wie noch nie. Kirsten Liese

D 2017. R: ALEXANDRA SELL. D: ULRIKE KRUMBIEGEL, ANNEKATHRIN BÜRGER, CHRISTINE ERRATH-STÜBER, RAINER BOCK U.A., L: 98 MIN. START: 18. JANUAR 2018


Forget about Nick

"Verlass' sofort meine Wohnung", schreit die 40-jährige Jade entrüstet. Denn im schicken New Yorker Loft steht das ehemalige Model plötzlich Maria gegenüber, der 54-jährigen Ex-Frau ihres Mannes. Der freilich hat sich bereits aus dem Staub gemacht, um sich wieder einmal eine Jüngere zu schnappen. Nicht jedoch ohne den beiden ein spezielles Abschiedsgeschenk zu hinterlassen. Im Ehevertrag überschrieb der 60-jährige Nick jeder Ex die Hälfte seines luxuriösen Apartments in Manhattan. Da kommt Freude auf. Besonders, wenn die praktisch veranlagte Maria für das gemeinsame Abendessen Jades geliebte Schmuckteller aus der Vitrine nimmt. Der Kleinkrieg beginnt. Die Kamera erinnert dabei stilistisch an einen Western. Das Frauenduo steht oder sitzt sich oft frontal gegenüber. Als wären die beiden jederzeit bereit, sich zu duellieren. Mit komödiantischer Leichtigkeit und spritzigen Dialogen unterhält Margarethe von Trotta, die Grande Dame des deutschen Kinos, bestens. Schon immer prägten ihr Universum starke Frauen und feministische Ideale. Luitgard Koch

D 2017, R: MARGARETHE VON TROTTA, D: KATJA RIEMANN, INGRID B. BERDAL, HALUK BILGINER, U. A., L: 110 MIN., KIN0START 7.12.17


Die Spur (Pokot)

Für die Lehrerin Duszjeko ist jeder Jäger ein Mörder. Einige Dörfler halten die in den Wäldern zurückgezogen lebende Einsiedlerin wegen solch radikaler Ansichten für eine schrullige Alte. Aber die Regisseurin Agnieszka Holland stellt sich klar hinter ihre Heldin, die nicht müde wird, für den Schutz der Tiere ihre Stimme zu erheben. Und zeichnet die mit ihrer Beute stolz auf einem Gruppenfoto posierenden Männer allesamt als feiste, machtbewusste Machos. Eine an Hitchcocks "Vögel" erinnernde Mystik flammt in diesem feministisch angehauchten Öko-Thriller auch noch auf: Haben am Ende Hirsche oder Wildschweine an den unverbesserlichen Kerlen Rache genommen? Jedenfalls kommen die Wilderer plötzlich der Reihe nach ums Leben, und es scheint, als bestünde zwischen ihren Toden ein Zusammenhang. So, wie die Regisseurin den ländlichen Mikrokosmos ihrer an der tschechischen Grenze verorteten Geschichte unter dem Brennglas betrachtet, gelingt bei alledem ein satirischer Blick auf die polnische Gesellschaft. Kirsten Liese

P/D/CZE/SWE/SVK 2017, R: AGNIEZKA HOLLAND, D: AGNIESZKA MANDAT, WIKTOR ZBOROWSKI, U. A., 128 MIN., KINOSTART 4.1.18