Angriff auf ein hart erkämpftes Schutzgesetz

Maria Kniesburges ist Chefredakteurin der ver.di publik

Ist das die neue Lebensqualität, die neue Freiheit im digitalen Zeitalter? Morgens früh beim ersten Kaffee gleich mal schnell die E-Mails checken, und bitte auch hurtig beantworten. So jedenfalls stellt sich das Christoph Schmidt, der Vorsitzende der sogenannten Wirtschaftsweisen, vor, der sich angesichts der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes stark macht. Laut beklatscht von den Arbeitgeberverbänden.

Die Unternehmen bräuchten die Sicherheit, so Schmidt in der Welt am Sonntag, "dass sie nicht gesetzeswidrig handeln, wenn ein Angestellter abends noch an einer Telefonkonferenz teilnimmt und dann morgens beim Frühstück seine Mails liest". Das gehöre halt zur digitalen Welt, in der die Vorstellung überholt sei, "dass man morgens im Büro den Arbeitstag beginnt und mit dem Verlassen der Firma beendet". Zurück in die Leibeigenschaft? Rund um die Uhr im Dienste der Firma?

Unter dem wohlklingenden Stichwort "zeitgemäße Flexibilisierung" findet derzeit ein weiträumiger Angriff auf das Arbeitszeitgesetz statt. Die dort geregelte tägliche Höchstarbeitszeit soll ausgedehnt, die vorgeschriebene Mindestruhezeit eingedampft werden. Das, obwohl die Flexibilität auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt mit seinen zahlreichen Arbeitszeitmodellen schon kaum noch zu überschauen ist. Und: Allein 2016 haben die Beschäftigten 1,8 Milliarden Überstunden geleistet, die Hälfte davon unbezahlt. Diese fürwahr erhebliche, teils sogar kostenlose Ausdehnung der Arbeitszeit und der Arbeitstage soll nun ganz offenbar auch noch gesetzlich abgesichert werden.

Ständige Erreichbarkeit ist ein Gesundheitsrisiko. Das erleiden längst Abertausende von Beschäftigten im Land, und das ist längst auch wissenschaftlich belegt. Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz, von den Gewerkschaften hart erkämpft. Und das gilt es zu verteidigen, mit aller Konsequenz.