Eric Vuillard: Traurigkeit der Erde

Die Geschichte von Buffalo Bill, der den Mythos vom Wilden Westen erfand, ist ein Abenteuer, wie es im Buche steht. Es ist die Geschichte eines unbekannten Mannes namens William F. Cody, der sich als Büffeljäger, Fährtenleser, Goldsucher oder bei der Eisenbahn durchschlug, bevor er vom Journalisten Ned Buntline entdeckt und zum Helden seiner Groschenromane gemacht wurde. Irgendwann war Cody von seinen wahren und erfundenen Abenteuern so fasziniert, dass er auf die Idee kam, sie aufwendig als Bühnenspektakel zu inszenieren, mit Pferden, Büffeln und - der Clou - mit echten Indianern. Dreißig Jahre lang tourte er mit seiner Wild West Show durch Amerika und Europa und vermarktete die amerikanische Geschichte auf ebenso erfolgreiche wie auch zynische Weise, indem er die indianischen Ureinwohner unter anderem ihre eigene Ermordung beim Massaker in Wounded Knee nachspielen ließ. Vuillard verknüpft meisterhaft die Erzählung über den ebenso schillernden wie gebrochenen Charakter Buffalo Bill Cody mit der amerikanischen Geschichte. Marion Brasch

MATTHES & SEITZ Ü: NICOLA DENIS, 136 S., 18 €


Zadie Smith: Swing Time

Zadie Smith, einst Jungstar der englischen Literatur, heute vielfach ausgezeichnete Autorin, erzählt von zwei besten Freundinnen, die ihr in mancherlei Hinsicht ähneln: geboren Mitte der 70er-Jahre, afrokaribische Wurzeln, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen im Norden Londons. Die Mädchen kennen sich vom Ballettunterricht in der Kirchengemeinde, träumen von einer Karriere als Tänzerin, auch um sich die Welt jenseits ihres Horizonts zu erschließen. Doch nur für eine von beiden erfüllt sich diese Hoffnung ein wenig. Nach ein paar Nebenrollen in Musicals landet sie wieder in ihrem alten Viertel. Die andere startet ganz anders durch, wird Assistentin einer berühmten Popsängerin und betreut deren Charity-Projekt in Afrika. Bis zum großen Knall. Ein berührender Roman über eine schwierige Freundschaft, geprägt nicht nur von Verbundenheit, sondern auch von Neid und Unverständnis. Aber auch über Leidenschaft und Verlust, Intrigen, Dummheiten und die Frage, wie es danach weitergeht. Vielleicht sogar gemeinsam? Tina Spessert

KIEPENHEUER & WITSCH, Ü: TANJA HANDELS, 625 S., 24 €


Lawrence Osborne: Denen man vergibt

Muslime treffen auf Ungläubige, Traditionalisten auf Nihilisten, Marokkaner auf Europäer. Inmitten der Wüste Marokkos veranstaltet ein schwules britisches Paar für seine Freunde eine dreitägige Party. Extravagant und dekadent, mit Kokain, Champagner, feinsten Speisen und Feuerwerk. Auf dem Weg dorthin überfahren zwei Gäste aus England einen Fossilienverkäufer am Straßenrand. Ein tragischer Unfall, der jedoch nicht zum Abbruch der Feier führt. Die Familie des Opfers verlangt allerdings, dass sie der Fahrer zur Beerdigung in ein abgelegenes Wüstendorf begleitet. Wie geht der Brite mit seiner Schuld um, und sind die Angehörigen zur Vergebung fähig? Wird es zu einem Racheakt der Muslime kommen? Alles scheint möglich, und die Anspannung lässt den Täter taumeln. Lawrence lotet objektiv die Gefühlslage seiner Figuren aus, auf beiden Seiten. Sein kunstvoll inszeniertes Aufeinanderprallen von Arm und Reich entwickelt sich zu einer grandiosen, fesselnden Geschichte. Günter Keil

VERLAG KLAUS WAGENBACH, Ü: REINER PFLEIDERER 272, S., 22 €