David Byrne: American Utopia

Wir leben in einer Zeit, in der nicht nur Kanzlerinnen und Präsidenten Regierungserklärungen abgeben, sondern auch ungekrönte Könige. Helden wie David Byrne. In einem Statement zu American Utopia, seinem ersten Solo-Werk seit 14 Jahren, stellt er - verständlich angesichts der politischen Lage in den USA - erst einmal den eigenen Albumtitel in Frage: "Ist das ironisch gemeint? Ist es ein Witz?" Die Antwort: Nein. Byrne, mittlerweile 65 Jahre alt, einst mit den Talking Heads zu Ruhm gekommen und für seinen im New York der 80er-Jahre geschulten Zynismus bekannt, hat den Optimismus entdeckt. Wo die meisten seiner Musiker-Kollegen noch damit beschäftigt sind, die Machtübernahme von Trump zu verarbeiten, erbaut sich Byrne an den kleinen Freuden des Lebens und entwirft eine freundliche Utopie. Er singt Lieder, die Every Day is a Miracle heißen, und Zeilen wie: "Dreaming all day long of a paradise of our own." Die Musik dazu ist programmatisch, nämlich globalisiert, gut gelaunt und inklusiv. Man hört die für die Talking Heads einst typischen Melodien und Funk-Rhythmen, aber auch Techno-Beats und Weltmusik-Einflüsse, wenn uns David Byrne einlädt in eine bessere Welt: "Everybody's coming to my house." Thomas Winkler

CD, NONESUCH / WARNER


Station 17: Blick

Das ist wohl schon jedem mal passiert: "Die Dinge starren mich an." Nur, gesungen wird über so etwas Banales wie Beängstigendes eher selten. Außer bei Station 17, der Band, in der seit nun genau 30 langen Jahren geistig Behinderte und vermeintlich Normale zusammen Musik machen. Das ungewöhnliche, 1988 in der Wohngruppe 17 der Evangelischen Stiftung Alsterdorf gegründete und bis heute einmalige Projekt kam auch deshalb zu einiger Bekanntheit, weil immer wieder prominente Musiker als Gäste gewonnen werden konnten. Auf dem neunten Album Blick sind das nun unter anderem Andreas Dorau, Schneider TM und Andreas Spechtl. Vor allem Dorau und sein naiver Dada-Ansatz fügen sich geschmeidig ins Gesamtgefüge. Während die Musik zwischen Discotauglichkeit und Hörspielexperiment flimmert, geht es meist um für Popmusik ungewöhnliche Themen: ums Limonade trinken, um den Fußball-Kumpel und um einen Zauberpudding, ums Fahrradputzen oder Aufsklogehen. Aber eben auch um die Dinge, die einen seltsam anstarren, und die Beklemmung, die so etwas auslösen kann. Station 17 bleiben auch nach drei Jahrzehnten außergewöhnlich. Thomas Winkler

CD, BUREAU B / INDIGO


Lucibela: Laça Umbilical

Vom internationalen Erfolg der Sängerin Cesária Évora (1941-2011) hat die kapver-dische Musikszene enorm profitiert. Denn mit der legendären Diva etablierten sich in den neunziger Jahren die vor Westafrika gelegenen Atlantikinseln überhaupt erst auf der musikalischen Weltkarte. Seither überrascht die dortige Szene immer wieder mit neuen Gesichtern. Neuzugang Lucibela legt mit Laça Umbilical ihr Debütalbum vor, das aber ganz und gar nicht klingt wie ein erster Versuch der 30-jährigen Sängerin. Stattdessen wie ein ausgereiftes Statement. Schließlich musste sich Lucibela zuvor erst im kapverdischen Hotspot Mindelo bewähren, Hafenstadt und musikalisches Zentrum der Kapverden mit seinen Auftrittsmöglichkeiten in Hotels und Bars. Nun kann sie sich auf erstklassige Songlieferanten und das solistische Talent der Musiker in ihrer akustischen Band stützen. Ein Gesamtpaket, aus dem Lucibela einen azurblauen Mix aus Sehnsucht und Leichtigkeit destilliert. Ein Album für Fernweh und Frühlingserwachen. Peter Rixen

CD, LUSAFRICA / ROUGH TRADE