Der jüngste Facebook-Skandal macht es wieder einmal deutlich: Auch in der virtuellen Welt gibt es nichts umsonst. Wer kostenlosen Zugang zu Online-Diensten nutzt, nimmt in Kauf, dass sein Privatleben zur Ware gemacht wird. Schon komisch ist die Vorstellung, dass die jüngsten Fotos des Kleinen, der Kommentar zum gestrigen Filmabend, das Beglückwünschen einer Freundin und sonstige Dinge, die man über soziale Netzwerke mitteilt, von Unbekannten an Unbekannte verkauft werden. Im Gegenzug werden uns personalisierte Werbeanzeigen zugeschustert. Das Grundprinzip ist älter als das Internet. Es wurde vor genau 60 Jahren in dem Bestseller "Die geheimen Verführer" zum ersten Mal verlautbart: Werbeleute haben den Schlüssel zu unserem Unbewussten gefunden, infolgedessen können sie uns Konsumenten wünschen lassen, was sie wollen. So geheim ist also die Verführung nicht mehr, und wir ahnen, dass mit der Allgegenwart von Handys und PCs die Fernsteuerung jetzt lückenlos geworden ist.

Zu dieser Erklärung passt aber die folgende Nachricht nicht richtig: Letztes Jahr hat der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble die Ausgaben für Online-Werbung um 67 Prozent reduziert, ohne dass hinterher ein Rückgang beim Absatz feststellbar gewesen wäre. Fazit des Marketingchefs: "Einiges Geld war schlichtweg verschwendet. Die Werbung erreicht nicht die Nutzer." Seitdem beginnen weitere Konzerne, ihren Internet-Werbeetat ebenfalls zu senken. Eine bemerkenswerte Wende: Im letzten Jahrzehnt hatten Google, Facebook & Co. das Gros des Werbemarkts verschluckt (und damit den Printmedien den Garaus gemacht). Nun stellen Firmen ernüchtert fest, dass sich die Effektivität solcher Ausgaben statistisch schwer nachweisen lässt. Schließlich werben Werbeleute in erster Linie für sich selbst, sie müssen ihre Kunden von ihrer Macht überzeugen. Zumindest die Online-Werbung scheint sehr überschätzt zu werden. Sollte sich der Rückzugstrend bestätigen, dann wäre das Facebook-Geschäftsmodell früher oder später untauglich. Doch vielleicht kommt der derzeitige Skandal zum richtigen Zeitpunkt. Nehmen die Werbeeinnahmen ab, könnte Mark Zuckerberg ein neues Netzwerk anbieten, wie versprochen um Datenschutz zu optimieren: Ohne Werbung, dafür kostenpflichtig. Privatsphäre muss man sich leisten. Guillaume Paoli