Wolfgang Schorlau: Der große Plan

Im August läuft das dritte „Rettungspaket“ für Griechenland aus. Dann rückt ein Krisenherd wieder ins Bewusstsein, um den es zuletzt ruhiger geworden war. Freilich, ohne dass sich die katastrophale Lage für die Bevölkerung gebessert hätte. Wahrscheinlich werden dann erneut die Zerrbilder vom faulen Pleitegriechen serviert. Wer jedoch den Krimi des Stuttgarters Schorlau liest, weiß es besser. Denn für seinen unbequemen Ermittler Georg Dengler entpuppt sich die griechische Schuldenkrise in Wirklichkeit als Bankenkrise. Alles beginnt mit einem äußerst lukrativen Auftrag, ausgerechnet aus dem Berliner Außenministerium. Der Privatdetektiv soll das Verschwinden der in höchste Gremien aufgestiegenen selbstbewussten Karrierefrau Anna Hartmann klären. Ein Handyvideo deutet daraufhin, dass sie entführt wurde. Die kluge, junge Frau fungierte als Beraterin jener Troika von Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfonds und EU-Kommission, die mit harter Hand unerbittlich Griechenlands Schicksal bestimmt. Zuletzt scheint Anna jedoch am Sinn ihrer Arbeit gezweifelt zu haben. Nicht umsonst ist auch ihr Laptop spurlos verschwunden. Hat sie herausgefunden, auf welchen Konten die vielen Milliarden der aufgespannten „Rettungsschirme“ tatsächlich gelandet sind? Wie schon in seinen früheren Fällen stößt Dengler, unterstützt von seiner findigen Hackerin Olga, der ehemaligen Polizistin Petra und seinem Stuttgarter Freundeskreis, wieder auf einen Komplex aus Wirtschaft, Politik und Verbrechen.

Für seinen neuen Roman verknüpft der 66-jährige Bestsellerautor spannend historische und aktuelle Fakten, fast so gut, wie einst der Schriftsteller Bernt Engelmann mit seinen sozialkritischen Tatsachenromanen. Er zeigt, wie die hochbrisanten Finanz-Produkte Swaps funktionieren, was sich hinter dem Schlagwort Kasino-Kapitalismus verbirgt und wie ein unersättlicher Trieb Volkswirtschaften ruiniert, um diabolische Wetten zu gewinnen. Ein erhellender Exkurs, der einem fast den Atem stocken lässt. Den angeblichen Schulden Griechenlands setzt Schorlau zudem die verdrängte, historische Schuld Deutschlands entgegen. Ein Teil der Handlung erinnert an das gnadenlose Wüten der Wehrmacht in Griechenland, wie das Land für die NS-Kriegsmaschinerie ausgeplündert, Dörfer niedergebrannt, Bewohner massakriert wurden – und mit welchen beschämenden Tricks sich die Bundesrepublik etwaigen Entschädigungen und Reparationen entzog. Luitgard Koch

VERLAG KIEPENHEUER & WITSCH, 433 SEITEN, 14,99 €


Cid Jonas Gutenrath: Skorpione

In einem Moabiter Hinterhof versammelt sich in einer als Reparaturwerkstatt getarnten Detektei eine Handvoll Menschen von beeindruckender Unangepasstheit und multikulturellem Hintergrund, angeführt von Sascha Simoneit, Ex-Polizist (wie der Autor) und Ex-Soldat (wie der Autor), der mit bemerkenswerter Chuzpe die weltweit menschliche Organe organisierende Söldnertruppe eines ehemaligen Kameraden zur Strecke bringen will. Die monströsen Verbrechen der Skorpione und ihres perversen Führers, die, wie man weiß, nicht gänzlich der zweifellos großen Phantasie Gutenraths entsprungen sind, halten die Leserin auf eine verstörende Art in Spannung, und das ist ja nicht das Schlechteste, das man über einen Thriller sagen kann. Zusätzlichen Thrill erzeugen zahlreiche Rückblicke, die die Schicksale der Protagonisten und -innen nach und nach enthüllen, freilich um den Preis, dass man schon mal den Überblick über die Zeitebenen verliert. (Tipp: Schneller lesen!) Inmitten des grausigen Geschehens lässt der Autor in seiner kleinen Detektei-Truppe Freundschaft, Vertrauen und sogar Liebe wachsen und würzt das Ganze mit einem Humor, den man gemeinhin grimmig nennt. Ulla Lessmann

ULLSTEIN VERLAG, 365 SEITEN, 10 €


Kathrin Weßling: Super, und dir?

Endlich hat sie es geschafft: Marlene Beckmann ergattert einen Job bei einem angesagten Internetkonzern. Doch die Fassade vom lockeren modernen Arbeitsleben bröckelt schnell. Kathrin Weßling porträtiert eine junge Frau, die an zu hohen Erwartungen zerbricht – und für eine ganze Generation steht. Denn Marlene Beckmann leidet unter dem Druck der unbefristeten Verträge und der Erwartung, jederzeit zu Überstunden bereit und immer gut drauf sein zu sollen. Für ihren Job hat sie jahrelang gelernt, gekämpft und sich gequält. Also versucht sie weiter zu funktionieren, obwohl ihr auffällt, wie sich ihr Arbeits- und Privatleben zunehmend vermischen. Wie ihre Vorgesetzten ihre Ideen als deren eigene verkaufen. Wie Vereinbarungen gebrochen werden. Die hohe Arbeitsbelastung und der Zwang zur Selbstoptimierung wirken sich schließlich auch auf Marlenes Gesundheit und Beziehung aus. Aus dem Traum wird ein Alptraum. Marlene nimmt Drogen und driftet ab. In schonungsloser, schneller Sprache treibt Kathrin Weßling ihren Plot und Marlenes Absturz voran. Ein radikales Lehrstück über verordneten Spaß bei der Arbeit und die Fassadenwelt moderner Medienkonzerne. Günter Keil

ULLSTEIN VERLAG, 256 SEITEN, 16 €