Ausgabe 05/2018
Achtung, Lebensgefahr
Das kann gefährlich werden. Für die Beschäftigten im Straßentransport, die Lkw- und die Busfahrer, aber auch für die Buspassagiere und die Sicherheit im Straßenverkehr insgesamt. Anfang Juli stand im EU-Parlament ein Vorschlag seines Verkehrsausschusses zum „Mobilitätspaket“ der EU-Kommission zur Debatte. Und der hat es in sich: Die bisher gesetzlich zugelassenen Lenkzeiten für Lkw- und Busfahrer sollen demnach drastisch verlängert und die vorgeschriebenen Ruhezeiten entsprechend verkürzt werden. Wochenendruhezeiten soll es erst nach drei statt bisher zwei Wochen geben. Und in Anbetracht solcher Lenkzeiten soll es den Fahrern „erlaubt“ sein, ihre wöchentlichen Ruhezeiten auf Parkplätzen in der Fahrerkabine zu verbringen. Im Bus- und Reisebusverkehr sollen Lenkzeiten von zwölf aufeinanderfolgenden Tagen ohne einen Ruhetag erlaubt werden und überdies zweimal die Woche ein 16-Stunden-Tag.
Verkehrsdichte nah am Kollaps
ver.di lehnt diese Pläne strikt ab. „Fahrer und Fahrerinnen sind keine Maschinen. Es sind Menschen, die hinter dem Lenkrad sitzen, ob sie einen Lkw oder einen Fernbus fahren“, sagt Christine Behle, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für den Verkehrsbereich. In einem dringenden Appell hatten der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, die stellvertretende Vorsitzende Andrea Kocsis und Christine Behle die Abgeordneten des Europaparlaments aufgefordert, sich gegen die Pläne des Verkehrsausschusses auszusprechen. „Wir wollen, dass die Lenk- und Ruhezeiten so bleiben wie sie sind. Schon heute arbeiten die Beschäftigten am Limit. Die Verkehrsdichte ist vielfach nah am Kollaps. Die mobile Gesellschaft braucht konzentrierte und ausgeruhte und keine übermüdeten Fahrer”, so Andrea Kocsis, im ver.di-Bundesvorstand auch zuständig für den Bereich Speditionen und Logistik.
Kern der in der Tat bedrohlichen Vorgänge ist, dass die Ende Mai reformierte EU-Entsenderichtlinie für Lkw- und Busfahrer im internationalen Verkehr keine Geltung haben soll. Dabei zielte die Reform der Richtlinie ausdrücklich auf eine Eindämmung von Lohndrückerei und die Stärkung von Rechten und Schutzstandards der Beschäftigten. Aber nicht für die Lkw- und Busfahrer im grenzüberschreitenden Verkehr, der doch immer weiter zunimmt.
Und das Ganze für 235 Euro im Monat
Sollte diese Herausnahme der Fahrerinnen und Fahrer aus der Entsenderichtlinie nicht verhindert beziehungsweise behoben werden können, so würde das bedeuten, dass etwa „ein bei einem bulgarischen Unternehmen beschäftigter Bus- oder Lkw- Fahrer für den bulgarischen Mindestlohn von 235 Euro pro Monat Menschen oder Waren zwischen Deutschland und Frankreich transportieren könnte,“ heißt es in einer ver.di-Mitteilung. Ein soziales Europa sähe anders aus: „Wenn die EU solche Rahmenbedingungen schafft, ist das ein Existenzvernichtungsprogramm für sozial und tariflich geschützte Arbeitsplätze“, sagt Kocsis.
Das EU-Parlament hat Anfang Juli noch nicht über den womöglich folgenschweren Vorschlag seines Verkehrsausschusses abgestimmt, sondern das „Mobilitätspaket“ zurück in eben jenen Ausschuss überwiesen. Dort soll ein neuer Vorschlag erarbeitet werden. Eine Entwarnung ist das nicht. Jetzt gilt es, weiter Druck zu machen. Andrea Kocsis: „Es muss gelingen, den europaweiten Wettbewerb im Interesse der Beschäftigten und ihrer Unternehmen fair und nachhaltig zu regulieren. Die sozialen Verwerfungen dürfen nicht weiter befeuert werden.“