Fünf Frauen lassen es sich gut gehen und haben viel Spaß dabei. Ihre Füße stehen in Fußbädern oder werden gerade von vier weiteren Frauen mit roten Schürzen massiert. Eine der fünf Frauen liest währenddessen in einem Magazin, eine lächelt in ihr Handy, eine andere liest auf ihrem Handy und die zwei übrigen Frauen kriegen sich nicht ein vor Lachen. Und ihr Lachen, obwohl man es nicht hören kann, ist ansteckend. Denn die Situation, in der sie sind, scheint auf den zweiten Blick die Welt auf den Kopf zu stellen. Die Frauen, die sich amüsieren, sind nämlich durch die Bank weg Asiatinnen, die von weißen Frauen bedient werden. „Let’s talk about race“ hat der Fotograf Chris Buck sein Bild genannt. Bis Anfang Januar ist es noch im Deutschen Hygienemuseum in der Ausstellung „Rassismus – Die Erfindung von Menschenrassen“ zu sehen. Und bürstet unsere Sehgewohnheiten ordentlich gegen den Strich. Denn seit der Begriff „Rasse“ im 18. Jahrhundert erfunden wurde, sind es bis heute die sogenannten People of Color, die weißen Menschen zu Diensten sind, egal ob im Alltag, auf Gemälden, Fotos oder in Filmen.

Man wünscht dieser Ausstellung viele Besucher/innen, ja geradezu einen Ansturm. Ihr großer Verdienst ist es, darzustellen, welche dramatischen Auswirkungen die Einführung des Begriffes „Rasse“ nach sich gezogen hat. Das Museum macht da auch vor der eigenen Geschichte keinen Halt. Während des Nationalsozialismus wurde vom Deutschen Hygienemuseum aus die Propagandamaschine der „Rassenhygiene“ angetrieben, ein schweres Erbe, dem sich das Museum jetzt stellt. Ging es in der I. Internationalen Hygieneausstellung 1911, veranlasst durch den Odol-Fabrikanten Lingner, rein um die Hygiene, dokumentiert und reflektiert das Museum mit der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ 1933 und der „Deutschen Kolonial-Ausstellung“ 1939 die Ausstellungsideologie der Nationalsozialisten.In einem weiteren Kapitel schlägt die Ausstellung mit Filmen und Audiostationen die Brücke zu den jüngeren Flüchtlingsbewegungen. Rassismus ist wieder mitten in der Gesellschaft angekommen, aber auch überwindbar, das ist die Botschaft. In einer Stadt wie Dresden, in der die rechte Sammlungsbewegung Pegida seit Jahren gegen nicht weiße Menschen hetzt, ist das ein klares Statement. Oder um es mit Chris Bucks’ Bildsprache zu sagen: Wer wem die Füße wäscht und massiert, ist nicht allein eine Frage der Perspektive. Petra Welzel

DEUTSCHES HYGIENEMUSEUM, LINGNERPLATZ 1, DI–SO 10–18 UHR, BIS 6. JANUAR 2019


Harald Szeemann

Harald Szeemann war besonders, er war die Avantgarde unter den Ausstellungsmachern in den 60ern und blieb es bis zu seinem Tod 2005. Eine Ausstellung über einen Kurator zu machen, kann schnell langweilig werden und ins rein Dokumentarische entgleiten. In dieser Ausstellung, die eigentlich aus zweien besteht, ist das nicht der Fall. Denn Harald Szeemann war nicht nur ein Macher, sondern auch ein leidenschaftlicher Sammler. Das lag in der Familie. Schon sein Großvater Etienne Szeemann sammelte, und zwar alles, was das Friseurhandwerk hergab. Der Großvater war ein berühmter Coiffeur, er frisierte Königinnen und Könige und erfand einen Dauerwellenautomaten. 1.200 Objekte trug sein Enkel 1974 in der Gerechtigkeitsgasse 74 in Bern für die Ausstellung „Großvater: Ein Pionier wie wir“ zusammen. Zwei Jahre nachdem er in Kassel die documenta 5 kuratiert und sich endgültig an die Spitze der internationalen Ausstellungsmacher katapultiert hatte. In Düsseldorf sind nun seine detailverliebte Großvater-Ausstellung neben dem „Museum der Obsessionen“ zu sehen, das sich Szeemanns Schaffen über seine eigene Sammlung und über seine „Agentur für geistige Gastarbeit“ nähert. Kurzum: Muss man sich einfach ansehen. Petra Welzel

KUNSTHALLE DÜSSELDORF, GRABBEPLATZ 4, BIS 20. JANUAR 2019, DI–SO 11–18 UHR


Der naive Krieg

Vor 100 Jahren endete der erste Weltkrieg. Bilder von ihm gibt es viele. Bilder von Helden, Bilder vom Schrecken des Krieges. Doch die Bilder, die wir kennen, sind die von Künstlern, vor allem von den Expressionisten. „Der Schrei“ von Edvard Munch, viele Jahre vor Ausbruch des Krieges entstanden, hat 1910 den Expressionismus begründet und später den Bildern vom Krieg ein Gesicht gegeben. Weil Munch in seinem berühmtesten Bild sein Innerstes nach außen gekehrt hat: den Schrecken, die Angst. Im Schwedenspeicher und im Kunsthaus Stade sind jetzt Bilder des Krieges zu sehen, die diejenigen gemacht haben, die unmittelbar am Krieg beteiligt waren, Bilder und Objekte von Soldaten. Und auch an ihnen haften bei aller Naivität und Kindlichkeit in ihrer Machart die Angst und der Schrecken, die der Krieg in ihnen ausgelöst hat. In der Ausstellung werden diese Werke, die teils auch in Kriegsgefangenschaft entstanden sind, mit zeitgenössischen Schlachten- und Propagandabildern konfrontiert, was sie nur um so mehr als das erscheinen lässt, was sie sind: die wahren Bilder vom Grauen des Krieges. Petra Welzel

MUSEEN STADE, WASSER WEST 39, BIS 20. JANUAR 2019, DI–FR 10–17, SA / SO 10–18 UHR