Vier Pakistanis gegen den deutschen Textildiscounter KiK: Das Verfahren vor der Zivilkammer am Landgericht Dortmund sorgte bereits im Vorfeld für viel Aufsehen. Ein Urteil verkündete Richter Hermann Beckers Ende November zum Prozessauftakt allerdings nicht, das dürfte noch einige Zeit dauern. Bereits nach einer Dreiviertelstunde war die mündliche Anhörung vorüber.

„Erstmals verhandelt ein deutsches Gericht gegen ein deutsches Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen im Ausland – ein Präzedenzfall“, sagte Thomas Seibert von medico international. Die Frankfurter Organisation unterstützt die pakistanischen Kläger*innen seit Jahren. „Jetzt ist die Politik gefragt: Die Zeit der freiwilligen Selbstverpflichtungen von Unternehmen ist vorbei. Wir brauchen gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung der Menschen- und Arbeitsrechte“, so Seibert

Eine der Kläger*innen ist Saeeda Khatoon, die extra aus Pakistan angereist war, aber vor Gericht nicht sprechen durfte. Am 11. September 2012 verlor sie ihren einzigen Sohn. Ejaz Ahmed war 18, als er bei dem Brand in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karatschi starb – einer von 259 Toten.

„So etwas darf nie wieder passieren, nicht in Pakistan, nirgendwo“, sagt Khatoon. Mit zwei weiteren Hinterbliebenen und einem Überlebenden des Feuers klagt sie vor dem Landgericht Dortmund gegen KiK. Es geht um 30.000 Euro Schmerzensgeld pro Person. Doch eigentlich geht es den Kläger*innen, die von deutschen Menschenrechtsorganisationen und der pakistanischen Textilarbeitergewerkschaft NTUF unterstützt werden, um Gerechtigkeit.

Die brennende Fabrik war eine Todesfalle

KiK weist weiterhin sämtliche Forderungen nach „immateriellem Schadensersatz“ zurück: „Es gab keine Brandschutzmängel in der Fabrik“, so Ansgar Loh- mann, bei KiK Bereichsleiter für Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung. Defekter Feueralarm, verschlossene Türen, vergitterte Fenster – die brennende Fabrik war eine Todesfalle, sagt hingegen Miriam Saage-Maaß von der Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights in Berlin, die die Klageseite unterstützt.

„Bis heute hat sich noch kein Vertreter von KiK bei mir entschuldigt“, sagt Khatoon. Keine Hand wurde gereicht, weder in Karatschi noch vor Gericht, wo KiK sich von drei Anwälten vertreten lässt. Ihnen hält Kläger-Anwalt Klinger den Schriftsatz vor, in dem KiK explizit darauf verzichtet, Verjährung geltend zu machen. Man wolle um die Sache streiten: Trägt KiK Verantwortung oder nicht? Doch vor einem Jahr änderte der Discounter, der zuletzt mit 2 Milliarden Euro einen Rekordumsatz vermeldete, die Strategie und setzt nun ausschließlich auf die Verjährungsfrage.

„Ich habe darauf gewartet, dass mein Sohn von der Arbeit nach Hause kommt“, sagte Saeeda Khatoon nach der Verhandlung, „er kam nicht. Er kam niemals wieder.“ Der Verlust schmerzt, er wird nie verjähren. Volker Rekittke