Comic I – Dass eine Beziehung zwischen Baukunst und Comicgestaltung besteht, lässt sich bereits am Begriff „Seitenarchitektur“ erahnen, der das Arrangement von Wort, Bild, Form oder Licht bezeichnet. Und nicht wenige Comicschaffende haben ein Architekturstudium absolviert, wie etwa Manuele Fior und Tsutomu Nihei. Von Peter Zumthor, dem Architekten des Thermalbads im Schweizer Ort Vals, ist ein Hang zur bildlichen Erzählung nicht bekannt, jedoch widmet sich seinem Bauwerk inmitten der Schweizer Alpen nun ein Comic von Lucas Harari. Der nutzt die seltsame und erhabene Atmosphäre des Ausnahmebaus für seine sich zwischen Phantastik und Thriller bewegende Erzählung. Zumthors Architektur setzt er dabei geschickt als Basis der bildlichen Dramaturgie ein. Das kommt der spannenden Story um den jungen Architekturstudenten Pierre zugute, der ein von ihm vermutetes Geheimnis des Bads entschlüsseln will und sich dabei in immer mysteriösere Vorkommnisse verstrickt. Vom rätselhaften Widersacher über Geheimtüren bis zum Sex mit einer Unbekannten ist alles vertreten – in ein neues Licht gesetzt.

Oliver Ristau

Lucas Harari, Der Magnet, aus dem Französischen von Christoph Schuler, handgelettert von Michael Hau, ISBN 978-3-03731-182-0, 144 Seiten, farbig, Halbleinenband, 32 €


Duckmäusertum und Widerstand

Comic II – Der Hotelpage Spirou und das gleichnamige belgische Comicmagazin feiern dieses Jahr ihren 80. Geburtstag. Neben der regulären „Spirou“-Albenreihe, die zuvor im Magazin veröffentlichte Episoden zusammenfasst, gibt es von der Hauptserie unabhängige Einzelausgaben, in denen verschiedene Künstler mit der Figur experimentieren. Dazu gehört auch Émile Bravo. Bereits 2008 zeichnete er das „Porträt eines Helden als junger Tor“ und platzierte Spirou, dabei Tradition und aktuelle politische Entwicklungen reflektierend, im Vorkriegs-Belgien des Jahres 1939. Nun legt Bravo nach – es ist 1940, und in Belgien steht der Einmarsch deutscher Truppen kurz bevor. Im Zusammenspiel mit einer die bedrückende Stimmung vermittelnde, zurückhaltende Farbgebung weiß Bravos Retro-Stil alle Facetten menschlichen Verhaltens zwischen Duckmäusertum und Widerstand differenziert abzubilden. Besonders die scheinbar beiläufige Inszenierung politischer Ansichten der Figuren ohne moralische Belehrung überzeugt. Beeinträchtigt wird das nur durch den zum Ende eingeführten untadeligen Bauern Anselm, aber vielleicht entwickelt sich die Figur in den drei Folgebänden ja noch.

Oliver Ristau

Émile Bravo, Spirou & Fantasio Spezial 26: Spirou oder: die Hoffnung, Übersetzung: Ulrich Pröfrock, ISBN 978-3-551-77656, 96 Seiten, farbig, Softcover, 14 €