Diese Frau hat Geschichte geschrieben. Und sie tut es bis heute: die SupremeCourt-Richterin Ruth Bader Ginsburg. Der spannende Spielfilm über die inzwischen 85-jährige amerikanische Gallionsfigur der Justiz und Amerikas Ikone der Gleichberechtigung kommt zum richtigen Zeitpunkt in die Kinos. Die Anhörung des neu ernannten Obersten Richters Brett Kavanaugh hat vielen gezeigt, wie frauenfeindlich das gesellschaftliche Klima in Zeiten von #MeToo ist. Und wie dringend ein solches Gericht starke, unabhängige Richterinnen wie Ruth Bader Ginsburg braucht. Eindrucksvoll erinnert Regisseurin Mimi Leder mit ihrer Hommage, die zu keiner Minute ein trockenes Gerichtsdrama ist, daran, wie hart unsere Rechte erkämpft wurden. Und dass dieser Kampf noch lange nicht zu Ende ist. Amerika in den 1950er Jahren: Frauen und Männer sind zwar angeblich gleichgestellt. Doch die Wirklichkeit sieht völlig anders aus. Viele Türen sind ihnen verschlossen. Elite-Unis wie Princeton lassen sie nicht einmal zum Studium zu. Das erlebt die junge Ruth hautnah. Obwohl sie ihr Jura-Studium in Harvard als Jahrgangsbeste abschließt, will keine Kanzlei die junge Mutter anstellen. Anwältinnen sind einfach nicht vorgesehen. Und schon gar keine Richterinnen. Dieses Privileg ist einzig ihren männlichen Kollegen vorbehalten. „Ein Personalchef meinte, eine Frau sei zu emotional und eine mit Einser-Examen muss Haare auf den Zähnen haben“, beschwert sich Ruth bei ihrem Ehemann Marty. Also bleibt ihr nur eine Stelle als Professorin. Doch Marty, ein versierter Steueranwalt, hat einen Tipp für sie: der Fall Charles Moritz. Trotz der aufopfernden Pflege seiner kranken Mutter war ihm der übliche Steuernachlass von 296 Dollar verweigert worden. Der Grund: Pflege sei Frauensache. Ruth wittert einen Präzedenzfall. Ein Bundesgericht soll entscheiden, dass dieses Gesetz verfassungsfeindlich ist. „Das ist kein Fall, sondern eine Kriegserklärung“, versucht selbst Mel Wulf von der Bürgerrechtsunion ACLU sie zu stoppen. Mit eisernem Willen und scharfem juristischen Verstand zieht sie, vorbehaltlos unterstützt von ihrem Mann, vor Gericht in einen leidenschaftlichen Kampf gegen die Geschlechterdiskriminierung. Smart, eloquent und mit sehr viel Biss liefert sie den verknöcherten Juristen einen temporeichen Schlagabtausch. Zugleich ist der Film eine Liebesgeschichte. Denn ihr Mann Marty, selbst ein Topjurist, unterstützt sie in jeder Hinsicht und kümmert sich um Haushalt und Kinder. Im wirklichen Leben gab er damals seinen Job in New York auf, damit sie in Washington ans Berufungsgericht gehen konnte. Er tat, was sonst von Ehefrauen erfolgreicher Männer erwartet wird. Luitgard Koch

USA 2018, R: MIMI LEDER, D: FELICITY JONES, ARMIE HAMMER, KATY BATES, JUSTIN THEROUX, JACK REYNO, FRANCIS X. MCCARTHY, KATHY BATES, CAILEE SPAENY, SAM WATERSTON U.A., 120 MIN., KINOSTART 7. MÄRZ


Die Blüte des Einklangs

In Thrillern ereignet sich Unheilvolles oft in urwüchsigen, stillen Wäldern. Hier aber wird die japanische Natur zum Hauptdarsteller einer spirituellen Reise. Statt einer seltenen Pflanze, die nur alle 997 Jahre blühen und heilende Kräfte besitzen soll, stöbert Jeanne, eine Journalistin, einen Förster im Unterholz auf. Er nimmt sie in seine Hütte auf und beginnt eine Affäre mit ihr. Dummerweise muss die Französin vorübergehend in ihre Heimat zurückkehren. Als sie wiederkommt, hat ein junger Fremder ihren Platz eingenommen. Doch scheinen alle Figuren mehr miteinander zu tun zu haben, als sie ahnen. Zusehends wird der Film über solche Andeutungen geheimnisvoller, eine beunruhigende Veränderung geht in den Bergen vor sich, die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen, Geister des Waldes helfen der Heldin, schmerzreiche Erinnerungen zu verwinden. Mit großem Gespür für Pflanzen und Mystik entführt die Regisseurin in eine magische fremde Welt, deren Sog man sich nur schwer entziehen kann. Kirsten Liese

F/J 2018, R: NAOMI KAWASE, D: JUILETTE BINOCHE, MASATOSHI NAGASE, TAKANORI LAWATA, 109 MIN., KINOSTART: 31. JANUAR


Kirschblüten & Dämonen

Zehn Jahre nach dem international gefeierten Drama Kirschblüten – Hanami setzt Regisseurin Doris Dörrie ihre berührende Geschichte um die Familie Angermeier aus dem Allgäu fort. Karl, der gemeinsame Lieblingssohn von Rudi und Trudi, steht vor den Trümmern seines Lebens. Er trinkt, lebt getrennt von Frau und Kind, und der Job ist auch weg. Das geerbte Elternhaus gemeinsam mit seinen Geschwistern zu verkaufen, weigert er sich. Doch selbst darin wohnen mag er auch nicht. Die Gespenster der Vergangenheit blockieren ihn. Der Tod seiner Eltern lässt ihn nicht los. Plötzlich taucht die junge Japanerin Yu auf und stellt sein Leben komplett auf den Kopf. Sie kümmerte sich damals um Karls Vater Rudi in Tokio, als er keine Zeit für ihn hatte. Auf ebenso bewegende wie melancholische Weise kreist Doris Dörries emotionale japanisch-deutsche Gespenstergeschichte erneut um die Themen Liebe, Vergänglichkeit, Tod, Trauerarbeit und Familienbeziehungen. Und am Ende um Japan als Perspektive für neuen Lebenssinn. Doch ihre meisterliche Mischung aus Familienmelodram, Romanze und Roadmovie offenbart auch ein verdrängtes Schweigen, das ganz reale Dämonen gebiert. Luitgard Koch

D 2018, R: DORIS DÖRRIE, D: GOLO EULER, AYA IRIZUKI, FELIX EITNER, BIRGIT MINICHMAYR, ELMAR WEPPER, HANNELORE ELSNER U. A., 110 MIN, KIN0START: 7. März