Schicht im Schacht

Bergmänner mit schwarz verschmierten Gesichtern, aus denen das Weiß der Augen blitzt, Kohlen, die vom Kohlenwagen aus in Keller geschleppt werden, oder das Drehen der Seilscheiben auf dem Fördergerüst, das über die Stadt ragt – im Ruhrgebiet, der immer noch am dichtesten besiedelten Region Deutschlands, ist das alles schon lange nicht mehr wirklich zu sehen. Ende 2018 wurden die letzten beiden Steinkohlezechen in Bottrop und Ibbenbühren dicht gemacht. Auch dort ist nun Schicht im Schacht, wie schon lange in Aachen, Bochum, Dortmund, Essen und anderswo in Nordrhein-Westfalen. Die aktuelle Ausstellung im Wissenschaftspark Gelsenkirchen zeigt die Arbeiten von zwei Fotografinnen und zwei Fotografen, die sich in Langzeitprojekten in ihren Fotografien damit beschäftigen, was von der Industrie übrig geblieben ist, die die ganze Region geprägt hat wie keine andere. Damit, welche Spuren der Bergbau hinterlassen hat.Sarah Blümel hat Gerätschaften und Werkzeuge der Grubenarbeiter zu Stillleben vor schwarzem Hintergrund arrangiert, die sie wie in alten holländischen Gemälden mit toten Gegenständen als Objekte überleben lassen, aber gleichzeitig des Ablebens einer Arbeitswelt gedenken. Natalie Richter verfolgt in ihren Bildern den Wandel der ehemaligen Bergarbeitersiedlungen, in denen schon lange keine Bergarbeiterfamilien mehr leben, während Vladimir Wegener festhält, wie Abraumhalden der Natur zurückgeführt werden. Es sind keine idyllischen Bilder, doch in ihren Ausschnitten unterstreichen sie vor allem die Stille, die im Wort Stilllegung mitschwingt. Bereits seit 1993 hat sich Thomas Pflaum mit dem „Leben ohne Kohle“ beschäftigt und ist dabei vor allem der Frage nachgegangen, ob sich die alten Zechen mit ihren Förderwerken und Fördertürmen tatsächlich zu Touristenmagneten mit Theater, Ausstellungen und spektakulären Lightshows umfunktionieren lassen.Erstaunlich ist, dass die Menschen, die einst und zum Teil auch heute noch von der Kohle leben, in allen Arbeiten keine augenscheinliche Rolle spielen. Es geht in dieser Ausstellung vielmehr um ihre Hinterlassenschaften. Und auch darum, wie ein Leben ohne Kohle möglich ist. Petra Welzel

WISSENSCHAFTSPARK GELSENKIRCHEN, MUNSCHEIDSTR. 14, 45886 GELSENKIRCHEN, MO–FR 6–19, SA 7.30–17 UHR, BIS 6. APRIL


Darum wählt!

Am 19. Januar 1919 wurde in Deutschland das erste demokratische Parlament gewählt, die Weimarer Republik entstand. Den Parteien blieben nach Ende des 1. Weltkrieges und der Abdankung des Kaisers am 9. November 1918 gerade mal elf Wochen, um für sich zu werben. Viele Plakate, die damals gedruckt wurden, haben das Jahrhundert nicht überstanden, aber das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe hat dennoch rund 75 Exemplare und 40 Flugblätter, Handzettel und Aufkleber zusammengebracht. „Auf jede Stimme kommt es an!“ ist dort auf einem Plakat zu lesen, schlicht und ergreifend. Während andere mit düsteren Bildern propagandamäßig versuchen, Angst vor den Bolschewiken zu schüren. Hell und freundlich kommt dagegen ein Plakat mit einer Mutter daher, die für ihre Kinder einen Brotlaib aufschneidet. „Eure Kinder brauchen Frieden und Brot“, steht dort, und: „Darum Frauen: Wählt!“ Auch das war eine Premiere: Frauen durften wählen. Und sie taten es mehrheitlich: Gegenüber 80 Prozent der Männer gingen 85 Prozent der Frauen zur Wahl. Seither muss die Demokratie immer wieder verteidigt werden, am 26. Mai in diesem Jahr in vielen deutschen Kreistagen und vor allem bei der Europa-Wahl. Petra Welzel

MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE, STEINTORPLATZ, 20099 HAMBURG, DI–SO 10–18 Uhr, DO 10–21 UHR, BIS 22. APRIL


Lotte Laserstein

„Von Angesicht zu Angesicht“ lautet der Untertitel zu dieser Werkschau der Malerin Lotte Laserstein. Ihr Werk schlummerte lange in Depots und Privatsammlungen, obwohl sie in der Weimarer Republik mit ihren realistischen Porträts nicht nur angesehen war, sondern auch erste Erfolge feierte. Ihre Bilder sind angelehnt an die alten Meister, wie sie auch schon zu ihrer Zeit in Berlin, wo sie lebte, in der Gemäldegalerie zu sehen waren. Von der „neuen Frau“ wurde in den 1920er und -30er Jahren viel geredet, von Sportlerinnen, von Frauen in Hosen, von Frauen, die Auto fahren. Die emanzipierte Frau ist auch Lotte Lasersteins hauptsächliches Sujet. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten bricht ihre Karriere ein, ihre Kunst gilt als entartet, sie muss den Vorstand des Vereins Berliner Künstlerinnen verlassen und kann nur noch im Rahmen des jüdischen Kulturbundes ausstellen. 1937 erhält sie die Möglichkeit in Stockholm auszustellen und bleibt dort. Erstmals wird ihr nun außerhalb Berlins eine große Einzelausstellung gewidmet – eine echte Entdeckung. Petra Welzel

STÄDEL MUSEUM, SCHAUMAINKAI 63, 60596 FRANKFURT/M., DI/MI/SA/SO 10–18, DO/FR 10–21 UHR, BIS 17. MÄRZ