Buch

Marc Elsberg: Gier

Ein rasanter Ökonomie-Thriller mit realistischem Ausgangsszenario: Auf dem Höhepunkt einer neuen Weltwirtschaftskrise demonstrieren in Berlin Hundert-tausende gegen Sozialkürzungen und die Macht der Konzerne. Währenddessen trifft sich die Politik- und Finanzelite zu einem Sondergipfel auf Schloss Charlottenburg. Doch einer der dort vorgesehenen Redner wird auf dem Weg zum Galadinner ermordet: Nobelpreisträger Herbert Thompson. Wie sich herausstellt, hatte er eine mathematische Formel entwickelt, mit der Wohlstand für alle möglich wäre. Das daraus abgeleitete Wirtschaftsmodell baut nicht auf Egoismus und Konkurrenz, sondern auf Kooperation und Solidarität. Kein Wunder, dass mächtige Kreise Thompsons Rede verhindern wollten. Nach dem Mord beginnt die Jagd auf die verschwundenen Dokumente – mittendrin ein Berliner Pfleger, der zufällig am Tatort war. In seinen fesselnden Plot packt Marc Elsberg mehrere Verfolgungsjagden sowie detaillierte Informationen über die „Bauernformel“, die auf der realen „Kelly-Formel“ basiert, die schon heute beim Glücksspiel und in der Investmentbranche eingesetzt wird. Fazit: Ein Buch, das unser angeblich alternativloses Wirtschaftssystem gekonnt hinterfragt. Günter Keil

Blanvalet, 448 S., 24€


Josephine Rowe: Ein liebendes, treues Tier

Weihnachten 1990. Eine kleine Stadt im australischen Südosten. Der Vietnam-Veteran und Familienvater Jack Burroughs findet eines Morgens seinen geliebten Hund von einem wilden Tier zerrissen im Garten. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum er die Flucht ergreift und spurlos verschwindet. Zurück bleiben seine verbitterte Frau, die beiden Töchter und ein Leben, das aus den Fugen geraten ist. Die Australierin Josephine Rowe erzählt in ihrem Debütroman die Geschichte einer Familie, die nicht mehr die Kraft aufbringt, sich gegen das Unheil zu stemmen, das sie sich selbst zufügt. Dabei nimmt sie abwechselnd die Perspektive der Familienmitglieder ein, die ganz unterschiedlich auf das Verschwinden des vom Vietnamkrieg traumatisierten Familienvaters reagieren. Ihr Ton ist dabei mal poetisch, introspektiv, voller suggestiver Bilder, dann wieder ganz lakonisch, hart und zynisch. Was am Ende bleibt: Es gibt keine Schuldigen in dieser Familiengeschichte. Schuld sind die Verhältnisse, sind die Traumata, die sich von Generation zu Generation verpflanzen. Marion Brasch

Liebeskind Verlag, Ü: Barbara Schade, 208 S., 20 €


Beate Sauer: Der Hunger der Lebenden

Der „Jahrhundertsommer“ 1947 in den Trümmern von Köln: Ein Schauplatz, den die Bonner Autorin, erfolgreich mit historischen Romanen, auf geradezu unheim-liche Weise lebendig werden lässt. Man schmeckt Staub, riecht Brandgeruch und Fäulnis, empfindet Hunger, Erschöpfung nach. Wer leichtfertig angesichts der Weltlage von „Vorkriegszeit“ schwadroniert, kann hier viel über Nachkriegszeit lernen. Verwahrloste Kinder und Jugend-liche, Vertriebene und Versehrte, Nazi-Verbrecher und ehemals Verfolgte: In diesem heillosen Milieu untersucht Friederike Matthée von der „Weiblichen Polizei“ in ihrem zweiten Fall eigenmächtig und hartnäckig den Mord an einer Ex-Kollegin, erfährt Grauenhaftes über Nazi-„Jugend-Schutzlager“ und Kriegsverbrechen der Wehrmacht. Die mutige Friederike gerät angesichts familiärer Verstrickungen an ihre Grenzen, bekommt aber Hilfe vom deutschen Juden und jetzigen britischen Offizier Richard. Die Liebesgeschichte zwischen denn beiden bietet alle Zutaten für Kitsch, aber Sauer umschifft dies geradezu virtuos. Ulla Lessmann

Ullstein, 427 S, 13 €