Spanien schien immun gegen rechtsextreme Parteien. Doch das ist nun vorbei. Seit ihrem überraschenden Einzug ins Regionalparlament im südspanischen Andalusien vergangenen Dezember steigt VOX, die vor fünf Jahren als Abspaltung der konservativen Partido Popular (PP) entstand, unaufhörlich in der Wählergunst. Umfragen sagen den Rechtsextremen für die vorgezogenen Parlamentswahlen am 28. April ein zweistelliges Ergebnis voraus.

Ihre Markenzeichen: Verherrlichung der Diktatur unter General Franco, der Einsatz für Traditionen, wie dem Stierkampf oder die katholische Religion, Ausländerfeindlichkeit, Politik gegen alles, was die Frauenbewegung erreicht hat – und vor allem die bedingungslose Verteidigung der spanischen Einheit gegen die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, deren Führer im Zusammenhang mit einem trotz Verbot abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 derzeit vor Gericht stehen.

Anders als in Frankreich oder Deutschland hat die gemäßigtere Rechte keinerlei Berührungsängste mit den Extremisten. Eine Koalition aus PP und den rechts- liberalen Ciudadanos (Cs) löste in Andalusien mit Hilfe der Abgeordneten von VOX die Sozialisten nach 37 Jahren an der Regionalregierung ab. PP-Chef Pablo Casado will das Modell nun aufs spanische Parlament übertragen, um den in Madrid regierenden Sozialisten Pedro Sánchez in die Opposition zu schicken.

Wer am härtesten vorgeht

Das Thema Katalonien soll dabei helfen. Zwischen PP, Cs und VOX ist ein regelrechter Wettbewerb darüber entbrannt, wer am härtesten gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen vorgehen wird. Sánchez gilt der Rechten als „der größte Vaterlandsverräter“ aller Zeiten. Er stehe für den „Ausverkauf der spanischen Einheit“, habe „Treuebruch“ begangen, wettert PP-Spitzenkandidat Casado immer wieder.

Der Hintergrund für diese Attacken ist: Sánchez stürzte im vergangenen Juni per Misstrauensvotum den bis dahin regierenden Vorgänger Casados, Mariano Rajoy, nachdem die PP wegen Korruption verurteilt worden war. Der Sozialist Pedro Sánchez wurde dabei auch von den katalanischen Parteien, die für die Unabhängigkeit ihrer nordostspanischen Heimat eintreten, unterstützt. Pedro Sánchez habe für deren Stimmen „einen Preis bezahlt, den er nicht öffentlich machen kann“ lautet seither der Vorwurf der Rechten. Und das, obwohl die gleichen Katalanen jetzt für Neuwahlen sorgten, indem sie gegen den Haushalt stimmten.

„Der erste soziale Haushalt“

Der Sozialist setzt den Angriffen von rechts soziale Themen entgegen. Spanien hat zwar offiziell die Krise überwunden, doch unten wäre mit dem „ersten sozialen Haushalt nach sieben Jahren Sparpolitik“, wie Pedro Sánchez ihn selbst bezeichnet hat, endlich etwas davon angekommen. Mehr Geld für Renten, für Pflegezuschüsse, Stipendien und Programme zur Gleichberechtigung sind nur einige Beispiele dafür.

Und das tut auch wirklich Not. Denn noch immer sind 14,5 Prozent Spanierinnen und Spanier ohne Arbeit und noch immer werden jährlich über 70.000 Wohnungen zwangsgeräumt. Längst sind es nicht mehr hochverschuldete Familien, die den Kredit für eine Eigentumswohnung nicht mehr bedienen können. Es sind Mieter, denen trotz Arbeit das Geld nicht reicht. Sánchez erhöhte deshalb unter heftigen Protesten von PP und Cs den Mindestlohn von 680 Euro auf 900 Euro pro Monat.

Die Wähler*innen werden nun entscheiden müssen, was ihnen schwerer wiegt, die Nationalfahne oder der eigene Geldbeutel. Die Parlamentswahlen am 28. April sind nur der Auftakt. Am 26. Mai werden in Spanien das Europaparlament, alle Gemeindeverwaltungen und ein Großteil der Regionalregierungen gewählt. Auch hier wollen PP, Cs und VOX gemeinsame Sache machen. Reiner Wandler