Die Beine zum Fuße hin sanft geschwungen, zwei schlichte Schubladen, darüber eine massive Tischplatte mit eingearbeiteter grüner Schreibunterlage, zum Ende hin abgeschlossen mit einem schmalen Fach: Margarte Junges Schreibtisch von 1905/06 ist schlicht und schön. Auch heute noch. Nach über einhundert Jahren. Dass es ihn noch gibt und er wieder zu sehen ist, ist ein Glücksfall. Nach dem Kunstgewerbemuseum Dresden zeigt jetzt das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe eine Ausstellung über Designerinnen der Deutschen Werkstätten Hellerau. Derzeit wird landauf, landab 100 Jahre Bauhaus gefeiert und man ist bemüht, deren wichtige Künstlerinnen nicht zu vergessen. Diese Ausstellung nun zeigt, welche Kreativität die Frauen entwickeln konnten, wenn man sie eben nicht wie am Bauhaus weitestgehend auf die Textilkunst beschränkte. Vom Bauhäusler Oskar Schlemmer ist der abfällige Spruch überliefert: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, das webt, und sei es nur zum Zeitvertreib.“ Und auch Bauhaus-Gründer Walter Gropius sprach sich nach dem Ansturm von Frauen aufs Bauhaus für eine Frauenklasse und die Beschränkung auf die Weberei für sie aus, da die meisten Studentinnen sich seiner Meinung nach ohnehin nur die Zeit bis zur Ehe und dem Hausfrauendasein mit einem Studium vertrieben. Karl Schmidt, Gründer der Hellerauer Werkstätten, teilte diese Vorurteile nicht. Auch nicht die, dass es Frauen an der Fähigkeit zum räumlichem Denken, an Intellekt und Genie fehle. Im Gegenteil. Über 50 Frauen waren wie Margarete Junge als Möbeldesignerinnen, als Innenarchitektinnen, Musterzeichnerinnen, Keramikerinnen oder Textilgestalterinnen zwischen 1898 und 1938 an den Deutschen Werkstätten tätig.Hervorgegangen sind die Werkstätten aus der Lebensreformbewegung um 1900, deren Anhänger Schmidt war. Eine ganze Gartenstadt ließ er für die Handwerker und Handwerkerinnen in Hellerau bauen. Sie sollten in der Nähe ihrer Arbeitsplätze in geräumigen Wohnungen und in einer schönen Landschaft leben. Auch ein Ledigenwohnheim gab es. Frauen wie die 18 Designerinnen und eine Produktfotografin in dieser Ausstellung konnten in Hellerau eine professionelle Laufbahn und ein selbstbestimmtes Leben einschlagen. „Gegen die Unsichtbarkeit“ ist der Titel der Ausstellung, weil ihre Namen und auch ihr Werk in Vergessenheit geraten waren. Jetzt zeugen über 270 Objekte von ihrem zeitlosen, modernen Schaffen. Junges stilsicherer Schreibtisch zählt dazu. Petra Welzel

MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE, STEINTORPLATZ, 20099 HAMBURG, 17. MAI BIS 18. AUGUST, DI–SO 10–18 UHR, DO BIS 21 UHR


Objects of Desire

Dies ist keine Ausstellung wie jede andere. Zum einen, weil es um die Arbeit von Sexarbeiter*innen geht. Und zum anderen, weil zum ersten Mal diejenigen sie konzipiert und bewerkstelligt haben, um die es geht: Menschen, die ihr Geld damit verdienen, andere Menschen sexuell zu bedienen. Entstanden ist daraus eine berührende, teils überraschende Ausstellung von Objekten, die so wenig mit Sexarbeit zu tun haben, wie Fußball mit Fließbandarbeit. Bemalte Teelichthalter und Origami, also Papierfaltarbeiten, sind solche Exponate, die von Künstlerinnen und Künstlern, die in der Sexarbeit aktiv sind, in Installationen, Skulpturen oder Fotografien aufgegriffen werden. Anstoß für die Ausstellung gab den Sexarbeiter*innen das Mitte 2017 neu eingeführte Prostitutionsschutzgesetz, das sie dazu verpflichtet, persönliche Daten aktenkundig zu machen. Persönlicher als diese Ausstellung können keine Daten sein. Petra Welzel

SCHWULES MUSEUM, LÜTZOWSTR. 73, 10785 BERLIN, SO/MO/MI/FR 14–18, DO 14–20, SA 14–19 UHR, BIS 1. JUNI


Von Pflanzen und Menschen

Die Erde würde auch ohne uns Menschen sehr gut auskommen. Gut, wir haben sie „kultiviert“, haben auf ihr Lebensräume geschaffen, können uns von ihr ernähren. Aber wir tun seit Jahrzehnten auch alles dafür, dass diese Lebensräume zu kollabieren drohen. Extremwetterlagen, Artensterben, Waldsterben – wir scheinen vermeintlich die einzige Spezies zu sein, die noch nicht dem Aussterben geweiht ist. Die neue Ausstellung im Deutschen Hygiene-Museum belehrt uns eines Besseren, was wir ja eigentlich auch wissen. Denn es sind die Pflanzen, die auch uns das Leben auf Erden überhaupt erst ermöglichen. Ohne sie fehlte uns die Luft zum Atmen. Und ohne pflanzliche Nahrung sähen wir schon bald ziemlich mickrig aus. Aber diese Ausstellung will uns keine Angst machen, sondern die Augen öffnen: unter anderem für die Schönheit der Pflanzen und wie sie miteinander kommunizieren. Ob auch über uns, das möchte man lieber gar nicht wissen. Petra Welzel

DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM, LINGNERPLATZ 1, 01069 DRESDEN, DI–SO 10–18 UHR, BIS 19. APRIL 2020