Ausgabe 05/2019
Angriff von rechts auf die Kunst
Protest im Schlossgarten: „Schützt die Kultur vor den Rechten”
Sie wollen Tänzer*innen und Musiker*innen nach den Kategorien in- oder ausländisch unterscheiden: Anfang Juni hatten zwei AfD-Abgeordnete im Landtag eine kleine Anfrage an das baden-württembergische Kunst-Ministerium gestellt. Das sollte ihnen die Staatsangehörigkeiten und Ausbildungsorte der Künstler*innen an den staatlichen Bühnen auflisten. Darauf setzte es Proteste aus der kulturellen Szene und darüber hinaus. Unter dem Motto „Schützt die Kultur vor den Rechten!“organisierte der Autor Joe Bauer gemeinsam mit Freund*innen innerhalb weniger Tage eine Kundgebung, ein Akt der Aufklärung gegen den von rechts betriebenen Kulturkampf.
Am Nachmittag des 29. Juni, einem Samstag, folgten seinem Aufruf etwa tausend Menschen und versammelten sich im Schlossgarten vor der Stuttgarter Oper. Eine „gute Mischung, von bürgerlich bis Antifa“, berichtet Joe Bauer. Zuvor hatten viele Kulturschaffende ihre Unterstützung erklärt, ebenso das Bündnis „Stuttgart gegen Rechts“ und auch ver.di.
„Wer den Pass zur Qualitätsstufe erhebt und von einer Priorität deutscher Werke faselt, zeigt, wes Geistes Kind er ist. Und wer in diesen Wochen immer noch nicht verstanden hat, dass von Rechtsaußen echte Gefahr droht, verschließt absichtlich die Augen“, hieß es in einer Stellungnahme von Cuno Brune-Hägele, Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Stuttgart.
Eröffnet wurde die von Bauer moderierte Veranstaltung mit einem Grußwort des Intendanten der Staatsoper Stuttgart Viktor Schoner. „Wehret den Anfängen!“, mahnte in seiner Rede Klaus Schrankenmüller, Personalrat der Stuttgarter Staatstheater. Listen, wie sie die AfD fordere, habe es vor 80 Jahren an den Stuttgarter Staatsbühnen schon einmal gegeben.
Unsere Vielfalt entgegensetzen
„Aufgrund solcher Listen wurden ab 1933 unter rassistischen Gesichtspunkten ‚volksfremde‘ Künstlerinnen und Künstler entlassen.“ Schrankenmüller sieht Parallelen zum Kulturkampf, den die Faschisten seit den Zwanzigerjahren betrieben. Damals habe die Politik gekuscht, die Nationalisten setzten sich durch. Die Neue Rechte nehme sich die Strategien der Völkischen zum Vorbild: „Diesen Angriffen begegnen wir mit unserer Kreativität, Fantasie und Kunst. Diesen Angriffen setzen wir entgegen: unsere Vielfältigkeit, Toleranz und Welt- offenheit“, rief Schrankenmüller den Versammelten zu. Bauer forderte politische Antworten: „Wir müssen auch soziale Ungerechtigkeiten wie die verheerende Wohnungspolitik oder den Pflegenotstand bekämpfen. All die Missstände, die den Rechten den Boden bereiten.“
Verdi aus 77 Kehlen
Nicht zu kurz kam natürlich die Kultur: Der Opernchor sang in voller Besetzung den „Gefangenenchor“ aus „Nabucco“ von Guiseppe Verdi. Auch die Star-Mezzosopranistin Diana Haller hatte einen umjubelten Auftritt. Auf der Protestbühne erklärten sich Vertreter*innen mehrerer Stuttgarter Theater und des Württembergischen Kunstvereins für solidarisch mit dem Anliegen der Kundgebung – und ebenso40 Ballettdirektor*innen aus ganz Deutschland.
Inzwischen hat das Ministerium die AfD-Anfrage beantwortet. Die Antwort unterstreicht die Vielfalt und Weltoffenheit der Staatsbühnen: Kunst brauche Internationalität. Genannt wurde nur die Anzahl der Herkunftsländer der Künstler*innen.