Eines Nachmittags im Hitzejuli 2019. Im Düsseldorfer Freibad herrscht reger Betrieb, als sich eine Gruppe Jugendlicher die Rutschbahn hinunter und immer wieder hinauf begibt, dabei andere Badegäste an der Nutzung des Spielgeräts hindert. Ein vielleicht nerviger, doch harmloser Streich, möchte man meinen. Wenige Stunden später jedoch ist die ganze Republik in Aufruhr. „Angreifer“ hätten das Freibad in einen „Ort des Schreckens“, ja einen „Kriegsschauplatz“ verwandelt. Grund der maßlosen Panik: Die Störenfriede seien arabische Migranten gewesen. Für Rechtsnationale ist sofort klar: Das Runterrutschen des badenden Abendlands ist gewalttätig von einer kriminellen Bande unterbunden worden. So sehr sie gegen die „Lügenpresse“ wettern, sind Rechtsnationale immer bereit, Falschmeldungen aus den Mainstreammedien zu schlucken, sobald diese ihnen in den Kram passen. Und besonders im Sommerloch dürsten auflagebesorgte Zeitungen nach sensationellen Schlagzeilen. Da half nicht, dass auf Überwachungsaufnahmen und mittels Zeugenaussagen kein Tumult nachgewiesen werden konnte. Und auch nicht, dass von der herbeigeeilten Polizei lediglich zwei Badegäste wegen Beleidigung angezeigt worden waren, wohlgemerkt: deutsche Badegäste (eine Recherche hielt allein das ARD-Magazin „Monitor“ für nötig). Was zählen schon Fakten in der Stimmungsmache? Wie die kollektive Halluzination zustande kam, lässt sich leicht rekonstruieren. Der Bademeister hatte überreagiert und die Polizei gerufen, diese wiederum hatte das Bad ohne zwingenden Grund geräumt. Schwerwiegender ist allerdings die Aussage des Polizeisprechers, der als erster von „sechzig Jugendlichen nordafrikanischen Typus“ fabulierte, vom Staatssekretärs Krings prompt überboten, der die Ausweisung der Übeltäter forderte. Da fragt sich, wo ideologische Verblendung aufhört und wo gezielte Desinformation beginnt. Noch sind wir nicht in die finstere Zeit zurückgekehrt, als anhand von Gerüchten angebliche Brunnenvergifter und Hexen auf Scheiterhaufen landeten. Aber auf der Rutschbahn dahin sitzen wir bereits. Guillaume Paoli