Ausgabe 06/2019
Wir alle sind das Krankenhaus
„Ich fürchte, Herr Spahn hat keine Ahnung wie ein Krankenhaus funktioniert“, sagt Kerstin Gruschetzki. Sie ist medizinisch-technische Radiologieassistentin (MTRA) am Uniklinikum Gießen-Marburg. Mit ihrer Aussage bezieht sich die 59-jährige Betriebsrätin unter anderem auf das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG), welches Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, zum 1. Januar 2019 auf den Weg gebracht hat. Das Gesetz gewährleistet die vollständige Refinanzierung von zusätzlichem Pflegepersonal und von Tarifsteigerungen für Pflegekräfte im Krankenhaus. Somit soll das PpSG zu einer besseren Personalausstattung im Bereich der Pflege beitragen. Für andere Beschäftigtengruppen im Krankenhaus, wie etwa die medizinisch-technischen Assistenzberufe (MTA) oder die therapeutischen Berufe, ist keine solche Refinanzierung durch die Kostenträger vorgesehen. Doch auch in diesen Bereichen arbeiten die Beschäftigten bereits am Limit.
Das weiß Kerstin Gruschetzki aus eigener Erfahrung. Das Uniklinikum Gießen Marburg habe Probleme, ausgeschriebene Stellen für medizinisch-technische Assistent*innen neu zu besetzen, sagt die Betriebsrätin. Die Gründe für diesen Personalmangel lassen sich auch in der Bezahlung finden. Denn an dem privatisierten Universitätsklinikum gilt ein Haustarif- vertrag, während an den umliegenden kommunalen Kliniken der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zur Anwendung kommt. Die Betriebsrätin Kerstin Gruschetzki weiß von einem MTA-Kollegen, der vom Uniklinikum Gießen-Marburg an das nahe gelegene kommunale Klinikum Wetzlar gewechselt hat. „Für vergleichbare Tätigkeiten verdient der Kollege dort nun über 500 Euro mehr im Monat“, sagt die Radiologieassistentin.
Die MTA-Berufe
Die Abkürzung MTA steht für die Bezeichnung medizinisch-technische*r Assistent*in. Hinter diesem Oberbegriff verbergen sich vier eigenständige Berufe, und zwar die medizinisch-technische Radiologieassistenz (MTRA), die medizinisch-technische Laborassistenz (MTLA), die medizinisch-technische Assistenz Funktionsdiagnostik (MTAF) und die veterinärmedizinisch-technische Assistenz (VMTA). Alle vier Berufe sind gemeinsam im Gesetz über technische Assistent*innen in der Medizin (MTAG) geregelt.
Diese erheblichen Gehaltsunterschiede ergeben sich aufgrund der Eingruppierung von MTAs im Haustarifvertrag. Ende des Jahres 2018 hat ver.di deshalb die Regelungen zur Eingruppierung am Uniklinikum Gießen-Marburg gekündigt. Das Ziel ist eine Annäherung an den TVöD, natürlich für alle Beschäftigtengruppen. Der zuständige ver.di-Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm sagt: „Während es im TVöD viele Heraushebungen für MTA mit schwierigen Aufgaben gibt, werden diese schwierigen Tätigkeiten im Haustarifvertrag kaum berücksichtigt.“
Bei der Grundeingruppierung für MTAs mit normalen Tätigkeiten bietet das Uniklinikum Gießen-Marburg zwar eine Annäherung an den TVöD an. Doch besonders an einem Universitätsklinikum sei die Mehrheit der MTAs mit schwierigen Aufgaben betraut und müsse entsprechend eingruppiert werden, sagt Heike von Gradolewski-Ballin, Bereichsleiterin Tarifpolitik im ver.di-Bundesfachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen.
Derzeit laufen die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber noch, doch bisher hat das Uniklinikum kein akzeptables Angebot für MTAs mit schwierigen Aufgaben vorgelegt. Um die 600 Euro würden die Gehaltsunterschiede nach dem aktuellen Arbeitgeberangebot im Vergleich zur entsprechenden Eingruppierung im TVöD (Entgeltgruppe 9a) betragen. Die Betriebsrätin Kerstin Gruschetzki wird sich auf jeden Fall weiter stark machen für eine Eingruppierung aller Beschäftigten am Uniklinikum Gießen-Marburg auf TVöD-Niveau. Und natürlich für eine bessere öffentliche Wahrnehmung ihrer Berufsgruppe.
Dafür setzt sich auch der Arbeitskreis MTA in ver.di ein. „Wir stehen absolut solidarisch hinter der Entwicklung zur Entlastung der Pflegekräfte“, betont Annette Bossack aus dem Arbeitskreis MTA. „Doch jetzt muss die Entlastung der anderen Berufsgruppen im Krankenhaus kommen“, sagt die medizinisch-technische Radiologieassistentin vom Klinikum Frankfurt Höchst. Deshalb fordert der Arbeitskreis MTA nicht nur eine Refinanzierung von zusätzlichen Stellen und Tariferhöhungen, sondern auch die generelle Herausnahme der Personalkosten aus den Fallpauschalen, abgekürzt DRG (Diagnosis Related Groups), wie sie für die Pflegepersonalkosten bereits erfolgt ist. Damit nicht eine Beschäftigtengruppe zu Gunsten einer anderen eingespart werden muss. Denn ein Krankenhaus funktioniert eben nur, wenn alle Hand in Hand arbeiten können.
Nicht mehr #unbezahlt
Dass gewerkschaftliches Engagement viel bewegen kann, zeigt der großartige Tariferfolg der Bewegung #unbezahlt. Ausgehend von den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen haben sich bundesweit Azubis der betrieblich-schulischen Gesundheitsberufe an den kommunalen Krankenhäusern und Unikliniken für die Tarifierung ihrer unbezahlten Ausbildungen stark gemacht und durchgesetzt. Ab Januar 2019 erhalten die betrieblich-schulischen Auszubildenden dort nun eine Vergütung um die 1.000 Euro, je nach Lehrjahr. In zahlreichen Kliniken unterschiedlicher Träger wurden inzwischen entsprechende Tarifverträge unterzeichnet. Zu den betrieblich-schulischen Gesundheitsberufen zählen medizinisch-technische Assistent*innen, Diätassistent*innen, Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, Orthoptist*innen und Physiotherapeut*innen.
Die MTA-Berufe
Die Abkürzung MTA steht für die Bezeichnung medizinisch-technische*r Assistent*in. Hinter diesem Oberbegriff verbergen sich vier eigenständige Berufe, und zwar die medizinisch-technische Radiologieassistenz (MTRA), die medizinisch-technische Laborassistenz (MTLA), die medizinisch-technische Assistenz Funktionsdiagnostik (MTAF) und die veterinärmedizinisch-technische Assistenz (VMTA). Alle vier Berufe sind gemeinsam im Gesetz über technische Assistent*innen in der Medizin (MTAG) geregelt.
Nicht mehr #unbezahlt
Dass gewerkschaftliches Engagement viel bewegen kann, zeigt der großartige Tariferfolg der Bewegung #unbezahlt. Ausgehend von den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen haben sich bundesweit Azubis der betrieblich-schulischen Gesundheitsberufe an den kommunalen Krankenhäusern und Unikliniken für die Tarifierung ihrer unbezahlten Ausbildungen stark gemacht und durchgesetzt. Ab Januar 2019 erhalten die betrieblich-schulischen Auszubildenden dort nun eine Vergütung um die 1.000 Euro, je nach Lehrjahr. In zahlreichen Kliniken unterschiedlicher Träger wurden inzwischen entsprechende Tarifverträge unterzeichnet. Zu den betrieblich-schulischen Gesundheitsberufen zählen medizinisch-technische Assistent*innen, Diätassistent*innen, Ergotherapeut*innen, Logopäd*innen, Orthoptist*innen und Physiotherapeut*innen.